Vom WM-Titel noch nicht komplett ausgenüchert, da rollt in
der 3. Liga ab dem kommenden Wochenende schon wieder der Ball. Unser FC
Rot-Weiß Erfurt geht gemeinsam mit 19 Konkurrenten in die siebente Saison der
eingleisigen 3. Liga. Neben Unterhaching und der Reserve des VfB Stuttgart,
sind wir mittlerweile nur noch einer von drei Dinos, die an allen Spielzeiten
der 3. Liga teilgenommen haben.
Wie in jedem Sommer wurde unser Kader einer Renovierung
unterzogen. Der Umbau hielt sich zwar in Grenzen, ganz geräuschlos verlief der
Sommer in Erfurt aber leider nicht. Eine gewichtige Aktie daran hat aus meiner
Sicht auch die Vereinsführung, denn die wie unsere beiden Sechser Nils
Pfingsten-Reddig und Marco Engelhardt vor die Tür gesetzt wurden, ist an
Stillosigkeit nicht zu überbieten. Dass die Zeit von „NPR“ in Erfurt im Sommer
enden wird, war relativ schnell in der Saison klar. Walter Kogler setzte auf
die Doppel-Sechs Möhwald/Engelhardt, für Nils Pfingsten-Reddig blieb oft nur
die Ersatzbank. Warum aber einem Profi, der vier Jahre zu den Führungsspielern
gehörte (zuletzt sogar als Kapitän) und den Verein insb. mit zahlreichen
Elfmeter- und Freistoßtoren den Arsch rettete, am letzten Spieltag ein würdiger
Abschied vor großer Kulisse verweigert wird, bleibt mir ein Rätsel. Da hilft
meiner Meinung nach auch die Ehrung vor dem Spiel gegen die Queens Park Rangers
heute abend nichts: die Vereinsverantwortlichen haben hier versagt! Noch mehr
Wirbel verursachte der Fall Marco Engelhardt. Dem Ur-Erfurter, der gemeinsam
mit Clemens Fritz seine große Karriere im Steigerwaldstadion begonnen hatte,
wurde während der laufenden Vorbereitung plötzlich mitgeteilt, dass man aus
„sportlichen Gründen“ nicht mit ihm planen würde. Zu einem Zeitpunkt also, an
dem viele Vereine (potentielle neue Arbeitgeber für Marco) in ihrer
Saisonplanung schon weit fortgeschritten sind. Auch wenn es für den Verein
sicherlich nicht förderlich ist, wenn Engel sein letztes Vertragsjahr incl.
dickem Gehalt auf der Tribüne absitzt, wünsche ich dem Vorstand, dass genau das
passieren wird. Denn amateurhafter als bei Marco Engelhardt kann sich ein
Verein nicht verhalten. Furchtbar! An dieser Stelle alles Gute an NPR in
Nordhausen - und nochmals Danke für das signierte Trikot ;-) sowie an Marco
Engelhardt.
Die Abgänge von Niklas Kreuzer (warum Dynamo Dresden den
verpflichtet hat, weiß ich wirklich nicht), Johannes Bergmann (Wacker
Nordhausen, Rückholoption für RWE), Mario Fillinger (ihm ist in erster Linie
Gesundheit zu wünschen), Marius Strangl (SpVgg Bayreuth, zuletzt zum
Stammspieler gereift) sowie Mijo Tunjic (SV Elversberg) fallen sportlich nicht sonderlich
ins Gewicht. Lediglich Christopher Drazan hätte ich gerne weiter im RWE-Trikot
gesehen. Der Österreicher, der nach Leihende wieder nach Kaiserslautern zurück
ist, wurde in der Rückrunde immer stärker und ist, sportlich gesehen, der
einzig schmerzliche Verlust.
Sechs Spieler (wurden neben diversen Nachwuchsakteuren) neu
an den Steigerwald geholt. Mit Juri Judt (1. FC Saarbrücken) und Sascha
Eichmeier (Sportfreunde Siegen) wurden die beiden Außenverteidigerpositionen
neu besetzt. Judt ist bundesligaerfahren, seine Karriere geriet aber zuletzt
bei RB Leipzig und im Saarland ins Stocken, hoffen wir, dass er in Erfurt
wieder durchstartet. Die ersten Berichte aus der Vorbereitung klingen nicht
schlecht, Luka Odak scheint sich warm anziehen zu müssen. Auf der linken Seite
soll Sascha Eichmeier dem etablierten Rafael Czichos (der Gott sei Dank seinen
Vertrag verlängert hat) Konkurrenz machen. Eichmeier ist zudem so offensivstark
und torgefährlich, dass er durchaus auch als Alternative zu Haris Bukva zu
sehen ist. Der Österreicher mit bosnischen Wurzeln spielte zuletzt in Split,
ist ein Linksaußen mit Erfahrungen in diversen österreichischen
Nachwuchs-Nationalmannschaften. Zwei weitere Neue wurden für das zentrale
Mittelfeld geholt: Christoph Menz, der aus Dresden kam und dort sowie bei Union
Berlin Zweitliga-Erfahrung sammelte, könnte gemeinsam mit Kevin Möhwald das
defensive Mittelfeld beackern. Eine wesentlich offensivere Rolle dürfte
Sebastian Tyrala spielen, Typ klassischer Spielmacher, bei Borussia Dortmund
ausgebildet, der insbesondere verletzungsbedingt in Fürth nicht den Sprung
schaffte, der ihm rein vom Potential her durchaus zuzutrauen gewesen wäre.
Bleibt Tyrala gesund eine absolute Top-Verpflichtung. Im Sturm schließlich soll
der Österreicher Christian Falk eine Alternative zu Carsten Kammlott und Simon
Brandstetter sein. Falk zeichnet sich insbesondere durch seine imposante Größe
und seinen in der zweiten österreichischen Liga gezeigten Torinstikt aus. Seine
1,94 m bringen neben den beiden eher bulligen, kleineren Stürmern Kammlott und
Brandstetter einen neuen Faktor ins Erfurter Angriffsspiel.
Werfen wir nun neu und alt zusammen, ergibt sich folgende
denkbare Elf:
Kammlott - Brandstetter
Bukva - Tyrala
Möhwald - Menz
Czichos – Laurito – Kleineheismann - Judt
Klewin
Und da sind dann Leute wie Eichmeier, Wiegel (den man aus
Aue fest verpflichten konnte), Falk, Möckel oder Göbel noch gar nicht
berücksichtigt. Denkbar wäre auch eine Variante mit nur einem Sechser, für den
Wiegel auf die rechte Seite rückt und Tyrala zum klassischen Zehner wird. Oder
für Wiegel wird einer der Stürmer geopfert. Aus meiner Sicht ergeben sich für
Walter Kogler zahllose Möglichkeiten, die durch den jungen Amer Kadric noch
erweitert werden. Der im Vorjahr aus Bonn zur U 19 geholte Offensivallrounder
machte nämlich in der Vorbereitung mit Toren und starken Auftritten nachhaltig
auf sich aufmerksam. Auch wenn wir in der alljährlichen kicker-Umfrage unter
den Trainern nicht direkt genannt wurden, sollten wir zu den Mannschaften
gehören, die zumindest in Richtung der Aufstiegsplätze schnuppern können. Und
das wäre ja angesichts des näher rückenden Jahres 2016 und der gleichnamigen
Mission eigentlich „nur“ planmäßig.
Zum Schluss noch ein Blick auf die neue Konkurrenz: Die
zuletzt alles dominierenden Heidenheim und Leipzig haben sich ebenso in die 2.
Bundesliga verabschiedet wie der SV Darmstadt 98. Leer gefegt wurde das
Saarland, mit Saarbrücken und Elversberg verabschiedeten sich beide Vertreter
von der französischen Grenze wieder in die Regionalliga. Und auch die weite
Auswärtsreise nach Burghausen dürfte kaum ein Drittligist vermissen. Wacker
spielt zukünftig mit Feierabendfußballern in der Regionalliga Bayern. Neu in
der Liga sind die Zweitliga-Absteiger Dynamo Dresden, Arminia Bielefeld und
Energie Cottbus. Insbesondere die beiden Derbies dürften eine Menge Kohle in
die Vereinskasse spülen, hoffentlich muss es im Anschluss nicht wieder für
Strafen ausgegeben werden. Leider eher unattraktiv sind die drei Aufsteiger.
Fortuna Köln hat zwar eine reiche Zweitliga-Geschichte, die Anekdoten um den
früheren Mäzen Jean Löring („ICH als Verein musste handeln“ nach dem er in der
Halbzeitpause (!) den Trainer feuerte) sind legendär, aber mit Essen oder
Aachen hätte es aber weitaus attraktivere Vereine aus NRW gegeben. Die SG
Sonnenhof Großaspach von der Schwäbischen Alb reiht sich in die Liste der
süddeutschen Vereine (Heidenheim, Sandhausen, Aalen) ein, die in den letzten
Jahren, solide arbeitend und unterstützt von der starken einheimischen
Wirtschaft, nach oben geklettert sind. Der Verein entstand in den 70er Jahren
aus der Stammtischmannschaft um Uli Ferber, dem damaligen Juniorchef des Hotels
Sonnenhof. Und Uli Ferber ist niemand geringeres als der Ehemann von
Schlagerkönigin Andrea Berg. Vielleicht wäre die Auswärtsfahrt in die
Mechatronik Arena (ein Schmuckkästchen für 10.000 Besucher) mal was für den
Kollegen Martini. ;-) Dritter Aufsteiger ist die zweite Mannschaft vom FSV
Mainz 05. Die waren in der Regionalliga Südwest zwar nur Dritter geworden,
griffen aber gerne zu als die Reserve des SC Freiburg auf die Teilnahme an den
Aufstiegsspielen (gegen Neustrelitz) verzichtete. Und mehr muss zu einer zweiten
Mannschaft auch nicht gesagt werden.
Soweit ein Blick auf die neue Saison, wir sehen uns am
Samstag im Steigerwaldstadion zum Auftaktspiel gegen Borussia Dortmund II.