So, wenn selbst Noch-Vizekanzler Philipp Rösler seinen Senf zur Auslosung
gibt (er sieht ein Finale Deutschland vs. Italien), dann will ich auch mal ein
paar Sätze zu dem schreiben, was sich da vorhin im Neun-Millionen-Dollar-Zelt
der Fifa abgespielt hat. Wie immer ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder die
Einhaltung der guten Sitten. Also, auf geht’s.
Gruppe A
(Brasilien, Kroatien, Mexiko, Kamerun)
Die Brasilianer
dürften nach der Auslosung wohl eher besorgt in Richtung Achtelfinale schauen,
wo Spanien, Holland und Chile warten. Eine tiefgründige Analyse der
Vorrundengruppe erscheint mir nicht nötig: Kroatien bekam die WM nach einer
durchwachsenen Qualifikation, in der man deutlich an Belgien scheiterte, mit
dem Island-Los quasi auf dem Silbertablett serviert. Mexiko war eigentlich
schon gescheitert (FUCK YOU, JÜRGEN!). Und Kamerun? Dort gibt Samuel Eto’o mehr
oder weniger im täglichen Wechsel seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft
bzw. sein Comeback bekannt. Ansonsten halte ich vom afrikanischen Fußball
(abgesehen von Ghana vielleicht) nicht viel. Was ich so vom Afrika-Cup oder der
afrikanischen WM-Qualifikation gesehen habe, war eher zum fürchten. Volker
Finke dürfte seinen Strandkorb noch nicht fertig aufgebaut haben, da sind die
unzähmbaren Löwen schon wieder nach Hause geflogen. Falls der unfähige Verband
ein paar Flugtickets bestellt hat. Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn die Fifa ihre
Lostöpfe nach sportlichen und geografischen Kriterien einteilt, dann mach ich
das bei meiner Entscheidung in Gruppe A auch: Brasilien wird die Gruppe im
Schongang gewinnen, Kamerun scheidet todsicher aus. Soweit die sportlichen
Gründe. Zwischen Kroatien und Mexiko wird’s eng. Hier nehme ich aus
geografischen Gründen Mexiko, europäische Mannschaften sehen bei Weltmeisterschaften
in Amerika immer schlecht aus.
1. Brasilien, 2.
Mexiko, 3. Kroatien, 4. Kamerun
Gruppe B (Spanien, Niederlande, Chile, Australien)
Gab’s das schon mal? Das letzte WM-Finale ist das
Eröffnungsspiel für die beiden Kontrahenten bei der nächsten WM. Mein lieber
Schwan, was für eine geile Gruppe. Denn zu den beiden europäischen
Schwergewichten gesellt sich auch noch Chile, die, angeführt von Arturo Vidal,
eine bockstarke Qualifikation gespielt haben. Wär doch herrlich, wenn die
Südamerikaner einen der beiden Titelaspiranten nach Hause schicken könnten. Und
ich weiß nicht mal, wen ich mir lieber wünschen sollte. Die Spanier, die nun
langsam mal genug Titel gewonnen haben oder die Holländer, denen man ja aus
alter Gewohnheit nicht mal den Dreck am Wohnwagen gönnt. Tippe ich nun also
riskant oder konservativ? Bevor ich mich entscheide noch fix ein Wort zu
Australien. Die können einem nur leid tun, für die Socceroos dürfte es in
dieser Gruppe keine Punkte in den Beutel geben. Zurück an die Tabellenspitze… Ob
die Spanier noch heiß sind, fragt man sich ja mittlerweile vor jedem Turnier
und schaut dann beschämt zu Boden, wenn sie am Ende wieder den Cup bekommen.
Bei den Holländern kann ich mir nur schwer vorstellen, dass sie nach der
grottigen EM nochmal so tief ins Klo greifen. Daher…
1. Spanien, 2. Niederlande, 3. Chile, 4. Australien
Gruppe C (Kolumbien, Griechenland, Elfenbeinküste, Japan)
Oh, das ist eine geile Gruppe. Ja, wirklich! Gab es jemals
eine ausgeglichenere WM-Vorrundengruppe? Vielleicht zu Kaisers Zeiten, als es
dieses ganze Lostopf-Gedöns noch gar nicht gab. Als es noch nicht mal eine WM
gab. Hier in Gruppe C hat die Augenhöhe ihre Heimat. Kolumbien ist nach 16
langen Jahren (endlich) mal wieder dabei und stellt mit Radamel Falcao, Jackson
Martinez und James Rodriguez einen sagenhaften Sturm. Das Augenhöhe aber nicht
Einheitsbrei heißt, zeigt Griechenland, das mit seiner Betonabwehr einen
krassen Gegenentwurf zu den Kolumbianern darstellt. Aber Vorsicht: mit Kostas
Mitroglu haben die Hellenen plötzlich auch einen starken Sturmführer. Die
Elfenbeinküste um ihren Überstar Didier Drogba dürfte sich wie im falschen Film
vorgekommen sein. Endlich mal keine Todesgruppe, keine Holländer, Argentinier,
Portugiesen oder Brasilianer als Gruppengegner wie bei den beiden
vorangegangenen Endrunden. Für die goldene Generation der Ivorer ist es wohl
die letzte Chance, bei einer WM mal was zu reißen. Und die Qualität der Japaner
zeigt sich allein schon darin, dass der Kader nicht mehr aus 23 J-League-Profis
besteht sondern die Kicker aus dem Land der aufgehenden Sonne mittlerweile
massenhaft fernab der Heimat in den europäischen Top-Ligen spielen. Wer setzt
sich also durch? Die technisch beschlagenen Offensivkünstler aus Kolumbien und
der Elfenbeinküste, die unterkühlten Defensivstrategen aus Griechenland oder
die aufstrebenden Japaner, die längst nicht mehr nur ein gutes Kollektiv
bilden, sondern auch Stars haben (Kagawa, Honda), die aus diesem herausragen.
1. Griechenland, 2. Japan, 3. Kolumbien, 4. Elfenbeinküste
Gruppe D (Uruguay, Costa
Rica, England,
Italien)
Hat sich die Fifa ihre Wunsch-WM vielleicht doch gebastelt? Das
ist ja schon wieder so eine geile Gruppe! Drei Ex-Weltmeister und die
Riesenchance, dass England nach der Vorrunde nach Hause fährt. Herrlich! Und bei
der Auslosung zeigte sich mal wieder, dass es im Leben doch noch Gerechtigkeit
gibt. Denn es war ausgerechnet Geoff Hurst, der Schütze des legendären
Wembley-Tores höchtselbst, der seine Nation in diese irre Gruppe loste. Und
weil der gute Geoff sich direkt nach der Auslosung die Frage stellte, ob man
ihn überhaupt wieder einreisen lässt, möchte ich einen Vorteil nennen, den
diese Gruppe für England hat: Sie werden nicht im Elfmeterschießen ausscheiden.
Das gibt’s nämlich in der Vorrunde noch nicht! So, genug die drei Löwen
gemobbt. Ein paar seriöse Worte zur Gruppe: Italien ist die klare Nummer 1.
Dahinter sehe ich Uruguay, auch wenn die in der Qualifikation nicht durchweg
überzeugt haben. Aber auch vor ihrem vierten Platz 2010 mussten sie in die
Relegation. Und wer einen Sturm mit Luis Suarez und Edinson Cavani hat und von
der Bank Diego Forlan bringen kann, braucht sich vor England nun wirklich keine
Sorgen machen. Denn wie dünn das Niveau der Insulaner mittlerweile ist, zeigte
sich außer in der reichlich holprigen Qualifikation insbesondere im letzten
Testspiel Mitte November gegen unsere B-Elf. Und Costa Rica? Nun, ein
unangenehmer Spielverderber, dem ich durchaus zutraue, zumindest England und
Uruguay in Bedrängnis zu bringen.
1. Italien, 2. Uruguay, 3. England, 4. Costa Rica
Gruppe E (Schweiz, Ecuador, Frankreich, Honduras)
So, kleiner Hänger bei den Gruppen. Die ist jetzt nicht so
der Knüller. Bei Franzosen weiß ich nicht so recht, was ich von denen
halten soll. Sehen wir in Brasilien zahlreiche Einzelkönner, deren Ego zu groß
für einen WM-Kader ist? Oder die Franzosen aus dem Ukraine-Rückspiel, die
dieses in Massen vorhandene Talent (Ribery, Benzema, Nasri, Lloris und und und)
ins Team einbringen? Je nachdem, wie diese Fragen beantwortet werden, ist für
„les bleus“ alles drin. Vom souveränen Gruppensieg bis zum Aus in der Vorrunde.
Die Schweiz rutschte sicher auch dank der einfachen Qualifikationsgruppe bis in
den Topf 1 vor, dennoch macht die Kombination aus guten Spielern (Inler, Dzemaili,
Behrami, Xhaka, Shaqiri – ja die spielen wirklich alle für die Schweiz!) und
Trainerlegende Ottmar Hitzfeld die Eidgenossen zu einem beachtenswerten
WM-Teilnehmer. Und bei den letzten Endrunden konnten die Schweizer immer
überzeugen: 2006 schieden sie ohne Gegentor aus, 2010 schlugen sie den späteren
Weltmeister Spanien. Einerseits wirft man Ecuador immer vor, in der Qualifikation
nur von der Höhenlage ihres Nationalstadions zu profitieren, andererseits hat
das Team bei seinen bisherigen beiden Teilnahmen 2002 und 2006 jeweils die
Vorrunde überstanden. Und auch hier ist das für die Mannschaft um ManU-Star
Valencia möglich, ich halte es aber eher für unwahrscheinlich. Honduras füllt
die Gruppe auf. Unangenehmer Außenseiter. Nicht weniger, aber keinesfalls mehr.
1. Frankreich, 2. Schweiz, 3. Ecuador, 4. Honduras
Gruppe F (Argentinien, Bosnien-Herzegowina, Iran, Nigeria)
Für mich die langweiligste und uninteressanteste Gruppe. Die
Argentinier werden ganz sicher das Achtelfinale erreichen und bräuchten sich
dafür nicht einmal umziehen. Was ich vom afrikanischen Fußball halte, habe ich
in Gruppe A geschrieben. Die von unzähligen Experten nach Nigerias Olympiasieg
1996 vorhergesagte Weiterentwicklung des afrikanischen Fußballs hat nicht
stattgefunden, dank unfähiger Funktionäre und chaotischer Verbände stehen sich
die Afrikaner weiterhin selbst im Weg. Der Vorsprung, den die Kicker im
Juniorenalter insbesondere gegenüber den Europäern haben, ist schnell
aufgebraucht. Und weil die Konkurrenz so schwach ist, könnte WM-Neuling
Bosnien-Herzegowina sogar das Achtelfinale erreichen. Und das ist schon
verrückt, denn auch wenn ganz Europa von den Bosniern schwärmt, halte ich sie
für gnadenlos überschätzt: Wen außer Dzeko und Pjanic haben sie? Misimovic
spielt sicher nicht umsonst in China, Ibisevic ist ein solider Stürmer, die
Defensivspieler kicken durchweg nicht bei Spitzenvereinen.
1. Argentinien, 2. Bosnien-Herzegowina, 3. Nigeria, 4. Iran
Gruppe G (Deutschland, Portugal, Ghana, USA)
Das Motto der Gruppe „Ein Wiedersehen mit alten Freunden“
könnte glatt auch für eine neue Volksmusiksendung im mdr stehen. Gegen Portugal
spielen wir im neuen Jahrtausend bei gefühlt jedem Turnier (EM 2000, WM 2006,
EM 2008, EM 2012) und seit die Trümmertruppe von Erich Ribbeck 2000 in
Rotterdam von einer portugiesischen B-Elf auseinandergenommen wurde, hören wir
nicht auf, uns dafür zu revanchieren. Cristiano Ronaldo wusste wohl schon,
warum er gegen jeden Gegner spielen wollte, nicht aber gegen uns. Die Leistung
der Mannschaft steht und fällt mit CR 7, das haben auch die Play-Offs gegen
Schweden deutlich gemacht. Ist der schöne Cristiano nicht in Top-Form ist
Portugal nur Durchschnitt. Daher fürchte ich auch, dass Ronaldo & Co.
zeitgleich mit uns Ende Juni 2014 in Portugal eintreffen werden. Denn mit Ghana
und den USA gibt es gleich zwei Gegner, die den Portugiesen mehr als nur
gefährlich werden können. Die Amerikaner haben mit zunehmender Dauer eine
starke Qualifikation gespielt und allein die Tatsache das Jürgen Klinsmann die US-Boys trainiert, macht die Angelegenheit speziell. Ghana (schon 2010 unser Gruppengegner) ließ auch ohne den jetzt aber zurückgekehrten Kevin-Prince Boateng (ihr wisst schon, gute alte Freunde usw.) nie Zweifel am Brasilien-Ticket
aufkommen und überrannte die zuvor ungeschlagenen Ägypter in den afrikanischen
Play-Offs. Hinzu kommt, dass der ghanaische Verband, ähnlich wie das ganze Land
selbst, den Ruf genießt, einer der besser organisierteren des Kontinents zu
sein. So vertrat Ghana ganz Afrika schon 2006 und 2010 jeweils alleine in der
K.O.-Runde. Und 2010, nachdem Ghana die Amis im Achtelfinale bezwungen hatte,
verhinderte nur die Hand von Louis Suarez den ghanaischen Einzug ins
WM-Halbfinale. Deutschland wird diese Gruppe gewinnen, da habe ich keinen
Zweifel. Die Qualität unserer Mannschaft ist groß genug, die echten Prüfungen,
ob wir wirklich eine Weiterentwicklung (insbesondere, was die Mentalität
angeht) gemacht haben, kommen in den späteren Runden. Hinter uns gibt es ein
brutal enges Hauen und Stechen, welches Ghana knapp für sich entscheiden wird.
1. Deutschland, 2. Ghana, 3. Portugal, 4. USA
Gruppe H (Belgien, Algerien, Russland, Südkorea)
Auf den ersten Blick eine unspektakuläre Gruppe. Favorit
sind für mich die Belgier, die eine aufregende Generation von Fußballern
(Hazard, Lukaku, Fellaini, Witsel, de Bruyne, Courtois, Defour, Chadli und und
und) in Brasilien an den Start bringen. Vom Talent her sind unsere Nachbarn
sicher unter den Top 5 dieser Weltmeisterschaft, vielleicht kommt das Turnier
aber noch etwas zu früh für die jungen Belgier, 2018 könnte ihre große Stunde
schlagen. Apropos 2018… Der
nächste WM-Gastgeber Russland spielt auch in Gruppe H und hat angesichts der
alles andere als überragenden Konkurrenz sicherlich berechtigte Chancen, ins
Achtelfinale einzuziehen. Die Russen haben sich souverän qualifiziert,
allerdings schieden sie in der Vergangenheit oft auch ebenso schnell in der
Vorrunde aus. Bestes Beispiel war die zurückliegende EM, als sie im ersten
Gruppenspiel die Tschechen überrannten, dann aber, von sich selbst berauscht,
zweimal verloren und von den Tschechen überholt wurden. Die russische
Mentalität gefällt mir nicht, ob Star-Trainer Fabio Capello daran etwas ändern
kann, wage ich zu bezweifeln. Aber der Italiener ist sicher ein Pluspunkt für
die Russen. Südkorea scheint mir eher über das Kollektiv zu kommen, sie kämpfen
immer bis zum letzten Tropfen Sprit, einen Faktor den ich sehr schätze und der
mich dazu verleitet, sie über die Russen zu sortieren. Algerien ist für mich
nicht mehr als ein WM-Tourist: drei Spiele und dann geht’s wieder ab nach
Hause, daran ändert auch die vermeintlich leichte Gruppe nichts.
1. Belgien, 2. Südkorea, 3. Russland, 4. Algerien
Nimmt man meine Tipps als Grundlage, geht’s in der Endrunde
so weiter:
Achtelfinale
Brasilien – Niederlande
Griechenland – Uruguay
Frankreich – Bosnien-Herzegowina
Deutschland – Südkorea
Spanien – Mexiko
Italien – Japan
Argentinien – Schweiz
Belgien – Ghana
Viertelfinale
Brasilien – Uruguay
Frankreich – Deutschland
Spanien – Italien
Argentinien – Ghana
Halbfinale
Brasilien – Deutschland
Spanien – Argentinien
So, weiter will ich mich erstmal nicht aus dem Fenster
lehnen. Ich weiß, ein paar Stunden nach der Auslosung und ein halbes Jahr vor
der WM bis ins Halbfinale getippt, da hängt er (um im Bild zu bleiben) eh nur
noch mit dem kleinen Finger am Fensterbrett, aber für heute soll es genug sein.
Auf eine schöne Weltmeisterschaft!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen