So, jetzt wo auch die europäischen Play-Off-Spiele für die
Weltmeisterschaft feststehen, erlaube ich mir mal einen Wunschzettel zu
schreiben. Elf der 32 Tickets werden Mitte November noch vergeben und ich hab
da ein paar ganz konkrete Vorstellungen, wen ich gerne noch im Flieger nach
Brasilien sehen möchte.
PORTUGAL vs. SCHWEDEN
Mmmh, einerseits ist das natürlich als DER Gipfel DER
europäischen Fußball-Exzentriker (Cristiano Ronaldo vs. Zlatan Ibrahimovic) ein
feines Duell, andererseits hätte ich persönlich beide Teams sehr gerne in
Brasilien gesehen. Nun drücke ich natürlich „unserem“ WM-Gastgeber Portugal die
Daumen. Wenn ich die persönliche Brille abnehme, sehe ich aber rein sportlich
eher die Skandinavier im Vorteil. Die Schweden haben in der Qualifikation den
wesentlich besseren Eindruck hinterlassen, die Portugiesen hatten in einer
relativ schwachen Gruppe lange zu tun, bis sie Israel abgeschüttelt hatten.
Andererseits sind CR7 & Co. wahre Play-Off-Spezialisten, zur WM 2010 und
zur EURO 2012 saßen sie in den Ausscheidungsspielen jeweils erfolgreich gegen
Bosnien-Herzegowina nach.
Das Herz sagt Portugal, der Verstand Schweden.
UKRAINE vs. FRANKREICH
Beide Teams baden im direkten Duell nun das Lospech aus,
dass ihnen jeweils happige Qualifikationsgruppen beschert hatte. Die Ukraine
kam hinter England ins Ziel, ließ aber die starken Montenegriner sowie Polen
hinter sich. Die Franzosen scheiterten am Dauerchampion Spanien, wurden aber in
Gruppe I ganz locker Zweiter.
Sowohl das Herz wie auch der Verstand sagen „Allez les
bleus“.
GRIECHENLAND vs. RUMÄNIEN
Oh mein Gott, die vielleicht fürchterlichste
Play-Off-Begegnung, die man überhaupt hätte auslösen können. Die destruktiven
Fußball-Handwerker aus Griechenland, deren Spielweise ist so attraktiv wie ihr Heimatland
pleite. Dennoch verstehen sie es immer wieder, sich (auch dank nicht enden
wollendem Losglück) zu den großen Turnieren zu rumpeln. Dort überraschen sie
dann in so regelmäßigen Abständen (zuletzt bei der Euro 2012, als sie das
Viertelfinale erreichten), dass sie bei den Auslosungen immer wieder in Topf 1
landen (und zum nächsten Turnier dürfen). Nun haben sie mit den Rumänen (mal
wieder) das leichteste der vier möglichen Lose bekommen. Die Kicker vom Balkan
waren in der Holland-Gruppe hinter den Oranjes am Ende der Einäugige unter den
Blinden (Türkei, Ungarn), was sie sportlich bei einer WM verloren haben, vermag
ich nicht zu sagen.
Das Herz sagt hier Spielabbruch, der Verstand tippt auf ein
0:0 im Hinspiel und ein 1:0 für Griechenland im Rückspiel.
ISLAND vs. KROATIEN
Das wäre für mich, als Liebhaber des nordischen und
körperbetonten Fußballs ein absoluter Traum, wenn sich die Isländer
qualifizieren könnten. Die Männer aus dem ewigen Winter wären das
einwohnerärmste Land, was sich jemals für eine WM qualifiziert hat. Klar hat
ihnen auch die schwache Gruppe mit den schärfsten Konkurrenten Norwegen,
Slowenien und Albanien in die Karten gespielt, aber mittlerweile kicken eine
ganze Reihe Isländer in den starken europäischen Ligen und eine Qualifikation
Islands wäre nicht überraschender als die anderer Länder in der Vergangenheit
(Slowenien, Slowakei).
Mein Herz sagt Island, der Verstand ist bei diesem Spiel
ausgeschaltet.
NEUSEELAND vs. MEXIKO
Das Neuseeland die Ozeanien-Gruppe gewinnt, war zu erwarten.
Das es aber nicht mehr selbstverständlich ist, zeigt die Teilnahme Tahitis am
Confederations-Cup im zurückliegenden Sommer. Nach der Auslosung der
Qualifikation hatten sich die All-Whites sicherlich die Hände gerieben, als
ihnen das Los den Vierten der Nordamerika-Gruppe bescherte. USA, Mexiko und
Costa Rica qualifizieren sich direkt, den Rest können selbst wir schlagen
dachten sich die Kiwis und staunten, als dann die Mexikaner plötzlich nur
Vierter in der CONCACAF-Gruppe wurden. Und selbst diesen vierten Platz
ergurkten sich die Mittelamerikaner ausschließlich mit Glück und gänzlich ohne
Verstand. Nur weil Panama im entscheidenden Spiel der Qualifikation einen
Elfmeter verschoss und in der 92. und 93. Minute von den Amerikanern noch zwei
Tore eingeschenkt bekam (FUCK YOU, JÜRGEN!), dürfen die Mexikaner überhaupt
nach Neuseeland reisen. Diese Formkrise stimmt mich optimistisch, dass wir hier
ein sehr enges Play-Off-Duell sehen werden. Sowohl mein Herz als auch mein
Verstand tun sich schwer. Natürlich liebe ich den Gedanken, Neuseeland erneut
bei einer WM zu sehen. Aber eine Endrunde ohne Mexiko.
Sagen wir es mal so: mein Herz schlägt für Neuseeland, der
Verstand sieht Mexiko zur WM fahren.
URUGUAY vs. JORDANIEN
Hatte ich oben von den Play-Off-Spezialisten aus Portugal
geschrieben? Was ist dann aber Uruguay? Die Schotten Südamerikas, immerhin
WM-Vierter in Südafrika und amtierender Südamerika-Meister, spielen zum vierten
Mal in Folge in der interkontinentalen Play-Off-Runde um ein WM-Ticket. 2002 setzten
sie sich gegen Australien durch, 2006 scheiterten sie am gleichen Gegner. 2010
gewannen sie gegen Costa Rica, nun messen sie sich mit einem asiatischen
Vertreter. Das der Jordanien heißt, ist fast schon sensationell. Gar kein Wort
wurde bisher erfunden, das den Zustand beschreiben würde, sollten sich die
Araber durchsetzen.
Herz und Verstand sehen Uruguay hier glasklar im Vorteil.
ELFENBEINKÜSTE vs. SENEGAL (Hinspiel 3:1)
Bei den fünf afrikanischen Play-Off-Duellen wurden die
Hinspiele bereits ausgetragen. Beim Duell zwischen den Ivoreren und Senegal
spricht nach dem Hinspiel vieles für Didier Drogba & Co. Aber Vorsicht, das
Auswärtstor könnte für Senegal, den WM-Viertelfinalisten von 2002 noch Gold
wert sein.
Mein Kopf sieht die Elfenbeinküste vorn, mein Herz schlägt
eher für Senegal.
ÄTHIOPIEN vs. NIGERIA (Hinspiel 1:2)
Durch den Auswärtssieg in Äthiopien hat Nigeria schon eine
Vorentscheidung geschafft. Es ist ein bißchen ein Duell der Gegensätze.
Äthiopien war in den Fünfziger und Sechziger Jahren, also in der Zeit, in der
der African Cup of Nations erfunden wurde, eine Großmacht auf dem schwarzen
Kontinent. Nigeria ist seit den Neunziger Jahren eine der führenden
Fußballnationen Afrikas. Nach einem kleinen Knick, der die Super Eagles zwei
WM-Teilnahmen kostete (2006, 2010) haben sie sich mit ihrem Sieg beim
Afrika-Cup im Januar wieder zurückgemeldet.
Das Herz hofft weiter auf eine Überraschung, der Verstand
tippt Nigeria nach Brasilien.
TUNESIEN vs. KAMERUN (Hinspiel 0:0)
Tunesien war eigentlich schon draußen, nachdem sie sich
gegen die Kap Verden blamierten. Doch weil der krasse Außenseiter (übrigens
nicht das erste Mal in der laufenden Quali) einen nicht spielberchtigten Akteur
einsetzte, kam Tunesien am grünen Tisch in die Play-Off-Runde. Auch die
unzähmbaren Löwen, die von Volker Finke trainiert werden, profitierten bei
ihrem Gruppensieg von Schusseligkeiten des Gegners bei dessen
Kaderzusammenstellung. Kurz gesagt also ist Tunesien gegen Kamerun so eine Art „Lucky-Looser-Duell“.
Ich würde es den Tunesiern mal wieder gönnen, die 2010 pausieren mussten.
Das Herz sagt Tunesien, der Kopf tendiert angesichts des
Heimvorteils im Rückspiel zu Kamerun.
GHANA vs. ÄGYPTEN (Hinspiel 6:1)
Was für ein Drama. Ägypten ist die führende Fußballmacht auf
dem afrikanischen Kontinent. Dreimal in Serie gewannen die Pharaonen 2006, 2008
und 2010 die Afrikameisterschaft. Aber sobald es um WM-Qualifikationsspiele
geht, befällt die Ägypter eine unerklärbare Lähmung. Seit 1990 haben sie nicht
mehr an einer Weltmeisterschaft teilgenommen, immer wieder gerieten sie auf dem
Weg zur WM-Endrunde hochfavorisiert ins Stolpern. Nun schien alles anders zu
sein, auf dem Weg nach Brasilien walzte sich Ägypten mit sechs Siegen in sechs
Spielen durch seine Vorrundengruppe. Doch dann kamen die Black Stars und den
vom Amerikaner Bob Bradley trainierten Ägyptern wurde schwarz vor Augen. 1:6.
Wieder mal scheint Ägypten auf dem Weg zur Weltmeisterschaft zu scheitern.
Der Kopf schließt sich nach diesem Hinspielergebnis dem Herz
an. Ghana fährt nach Brasilien.
BURKINA FASO vs. ALGERIEN (Hinspiel 3:2)
Auch wenn Algerien 2010 in Südafrika dabei war, ist dieses
Duell vielleicht das exotischste der fünf afrikanischen Play-Off-Begegnungen.
Burkina Faso war noch nie bei einer WM dabei, weswegen ich sie bevorzugen
würde. Sportlich ist das sehr schwer zu beurteilen, das Hinspielergebnis lässt
viele Fragen offen.
Burkina Faso im Herzen, Algerien im Kopf.