VOR dem Anpfiff des Schweden-Spiels hatte ich mir
vorgenommen, zum Jahresende den Stand der WM-Qualifikation zusammenzufassen.
Wen werden wir 2014 in der Casa da Eira kicken sehen, wer ist schon raus, wer
ist überraschenderweise noch dabei. Nach ner Stunde Spielzeit stieg die
Vorfreude, nach 90 Minuten und dem 4:4-Ausgleich war dann erstmal der Ofen aus.
Was für eine biblische letzte halbe Stunde. Arrogant, überheblich,
selbstverliebt. Genau wie ihr Trainer die Kritik nach der Italien-Niederlage
abkanzelte kickte unsere Nationalelf ab der 60. Minute gegen Schweden. Jeder
machte im Gefühl des sicheren Sieges einen Schritt weniger. Und als die
Schweden, aufgeweckt durch das 1:4 von Ibrahimovic plötzlich mitmachten,
kämpften, körperlich dagegenhielten, fielen unsere Mädchen auseinander. Es war
keiner da, der den Mund aufmachte. Ein Effenberg wäre spätestens nach dem 2:4
Amok gelaufen, hätte statt einer gelben Karte für Zeitspiel (Neuer, Lahm,
Schweinsteiger) eine bekommen, weil er mal einen Schweden umgesenst, ein
Zeichen gesetzt hätte. Löw verteidigt ja immer wieder sein Prinzip der flachen
Hierarchie, nennt Lahm, Schweinsteiger oder Neuer als Führungsspieler. Aber wo
waren sie denn in Berlin? Ein Lahm ist schon bei der Seitenwahl ein Witz, wenn
er einem wie Ibrahimovic gegenüber steht. Das sieht dann aus wie B-Jugend gegen
richtige Männer. Nur mit Künstlern wie Özil geht es nicht, ein Özil geht in so
einem Spiel einfach mit unter. Es braucht keine flache, sondern eine klare
Hierarchie. Spieler dafür kann man sich nicht backen, Typen wie Effenberg oder
Matthäus hat der deutsche Fußball nicht. Das Problem ist, dass solche Leute
auch nicht in Sicht sind, weil es beim aalglatten DFB für solche Jungs schwer
ist, diese Spieler gar nicht gefördert werden. Es muss aber nicht sein, dass
jeder Defensivspieler jedes Problem spielerisch lösen muss. Ein, zwei Klopper
in der Truppe können nicht schaden. Im Gegenteil. Die hätten den Freistoß in
der Nachspielzeit an die gegnerische Eckfahne gedroschen anstatt mit drei
Rückpässen bei Neuer anzukommen, der den Fehlpass spielt und den Ausgleich
einleitet. So genug aufgeregt, wir liegen in Gruppe C ja trotz allem recht ordentlich im
Rennen, haben noch drei Spiele gegen die Färöer und Kasachstan plus Heimspiele
gegen Österreich und Irland. Die Schweden werden auch nicht alles gewinnen,
möglicherweise nehmen sich die drei zuletztgenannten auch gegenseitig ein paar
Punkte weg. Deutschland wird sich für die WM qualifizieren, dahinter sehe ich
Schweden und Österreich im Duell, die Iren sind furchtbar schlecht. Ein
Trauerspiel…
Blicken wir mal in die weiteren Europagruppen. Es
qualifizieren sich die neun Gruppensieger direkt für die Weltmeisterschaft. Die
acht besten Gruppenzweiten ermitteln in vier Play-Offs vier weitere
WM-Teilnehmer. Einer der Gruppenzweiten schaut also sicher in die Röhre, der
Gruppensieg ist von enormer Bedeutung.
In Gruppe A streiten sich die Belgier mit ihrer neuen,
starken Generation mit den Kroaten um die Gruppe. Ich drücke den Belgiern
kräftig die Daumen. Der 3:0-Erfolg in Serbien war ein starkes Statement. Die
Kroaten haben den Vorteil, dass sie die Belgier noch zu Hause empfangen und in
Brüssel schon ein 1:1 geholt haben. Der Rest der Gruppe nimmt sich gegenseitig
die Punkte weg, Serbien verliert in Mazedonien, die Schotten in Wales, ein
Schneckenrennen. Ich tippe auf Belgien vor Kroatien.
In Gruppe B brillieren die Italiener zwar nicht, stehen aber
nach dem wichtigen Heimsieg gegen Dänemark mit 10 Punkten souverän der
Tabellenspitze. Die Skandinavier kriegen Druck aus Osten, Bulgarien und
Tschechien liegen auf Platz 2 und 3. Da es in dieser Gruppe bereits zahllose
Unentschieden gegeben hat, könnte hier der schlechteste Zweite beheimatet sein.
Die Italiener werden sich qualifizieren, dahinter ist zwischen Bulgarien, Tschechien,
Dänemark und auch Armenien alles offen.
Die Gruppe D beheimatet mit den Niederländern eines der
beiden Teams der Europa-Qualifikation, die noch verlustpunkt frei sind (das
andere sind die Russen). Die Holländer haben zwar nur drei Punkte Vorsprung auf
Rumänien und Ungarn, allerdings haben die Oranjes genau bei ihren beiden
schärfsten Kontrahenten schon Auswärtssiege eingefahren, dazu auch die Türkei
geschlagen. Die Holländer haben noch ein paar launige Spiele gegen Estland und
Andorra vor der Brust und qualifizieren sich im Schongang für die WM. Zwischen
Rumänien und den wieder erstarkten Ungarn werden wohl die direkten Duelle
entscheiden, die Türkei muss fast schon auf ein Wunder hoffen.
Sehr knapp geht’s in Gruppe E zu. Die favorisierten
Schweizer führen, werden allerdings von Norwegen, Albanien und Island gejagt.
Diese Aussage zeigt das Niveau dieser sehr schwachen Gruppe. Da sich die Jäger
aber immer wieder Aussetzer leisten (so verlor Norwegen auf Island, die
Isländer wiederrum auf Zypern, die Slowenen, die ja auch schon WM-Teilnehmer
waren wiederum in Albanien), werden Hitzfelds Eidgenossen wohl nach Brasilien
fahren.
In Gruppe F gibt’s eine Dreiklassengesellschaft. Ganz vorn
trohnen ungefährdet die Russen. Capello hat seinem Team taktische Disziplin
eingeimpft, statt Hurra-Fußball ohne Nachzudenken bevorzugt der italienische
Star-Trainer schmucklose 1:0-Siege. Die Tabelle gibt ihm Recht. Apropos
Tabelle… Auf die möchten die Portugiesen derzeit wohl lieber gar nicht gucken.
Denn nach der Niederlage in Moskau gabs am Dienstag in Porto ein peinliches 1:1
gegen Nordirland. Ronaldo & Co. sind hinter Israel auf Rang drei
zurückgefallen. Hätten die Israelis nicht bei Berti Vogts in Aserbaidschan
Punkte liegen gelassen… Junge, Junge… Die Russen erscheinen mir stark genug für
den Gruppensieg und Portugal wird sich hoffentlich (wie immer) über die
Play-Offs qualifizieren.
Die Gruppe G könnte man streichen, niemand würde irgendein
Team bei der WM vermissen. Unglücklicherweise geht das nicht und so werden wir eine dieser
Truppen in Brasilien sehen. Momentan führt Bosnien-Herzegowina vor dem
punktgleichen Griechenland. Die Hellenen haben den Nachteil, dass sie zu Hause
gegen Dzeko und Konsorten nicht über ein 0:0 hinaus gekommen sind. Vorteil
Bosnien also. Die Vorentscheidung könnte es gleich am nächsten Spieltag im März
geben, wenn in Bosnien das Rückspiel steigt. Der Rest wird es schwer haben, die
Slowakei, immerhin Achtelfinalist in Südafrika hat schon zu Hause gegen die
Griechen verloren und in Litauen Punkte liegen gelassen. Bosnien qualifiziert
sich für die WM, die Griechen gehen in die Play-Offs.
England gegen Osteuropa – so ist die Lage in der Gruppe H.
Und die Three Lions haben doch so ihre Probleme. Gegen die Ukraine und in Polen
gab es nur Unentschieden, dreifach gepunktet wurde bisher nur in Moldawien und
gegen San Marino. Und dann sind da noch die Montenegriner, die den Engländern
schon bei der letzten EM-Quali mächtig auf den Sack gegangen sind und nach
ihrem Sieg in der Ukraine wieder erster Verfolger sind. Sehr spannend, England
sollte sich aber am Ende durchsetzen. Und gegen Montenegro will sicher keiner
in den Play-Offs spielen.
Das Beste zum Schluss – so könnte man die Gruppe I sehen.
Das Los hat Frankreich und Dauer-Titelträger Spanien zusammengeführt. Einer von
beiden muss in die Play-Offs. Wenn man sich dann Gruppen wie E oder G anschaut,
könnte man heulen. Die erste Runde ging an Frankreich, die beim 1:1 in Madrid
einen wertvollen Auswärtspunkt ergatterten. Der Rest der Gruppe ist nur
unwichtiges Beiwerk, die beiden Großen machens unter sich aus. Das Rückspiel in
Frankreich steigt übrigens schon im März.
In Nord- und Mittelamerika sowie der Karibik (oder im
FIFA-Deutsch: CONCACAF) stehen jetzt die sechs Mannschaften fest, die sich in
der Endrunde um drei direkte WM-Plätze sowie einen Platz für das Play-Off gegen
den Fünften aus Asien streiten. Und auch wenn die von Jürgen Klinsmann
trainierten Amis sich nur mit viel Dusel in diese Endrunde retteten und sich
Klinsmann in den Staaten heftiger öffentlicher Kritik ausgesetzt sieht, sollten
die US-Boys und Mexiko wohl zwei der drei direkten Plätze buchen. Um den
dritten direkten Platz streiten sich Costa Rica (drei WM-Teilnahmen, zuletzt
2006), Honduras (zwei, 2010) und Jamaika (eine, 1998) sowie Panama, dass noch
über keine WM-Endrunden-Erfahrung verfügt. Im Grunde genommen konnte man das
Teilnehmerfeld so erwarten, Guatemala (in den USA) und Kanada (1:8 (!) in
Honduras) verspielten am letzten Zwischenrunden-Spieltag ihre Endrunden-Plätze,
die vielen kleinen karibischen Insel-Staaten waren mehr oder weniger
chancenlos.
In Südamerika war es noch nie so leicht, sich für eine WM zu
qualifizieren. Die Brasilianer sind als Gastgeber automatisch dabei, bei vier
direkten Plätzen und einem Play-Off-Platz gegen Asien besteht aber für die
restlichen neun Teams eine 50%ige-Chance auf die WM-Teilnahme. Das ist mit
weitem Abstand die beste Quote. Souveräner Tabellenführer sind die Argentinier,
die man nun plötzlich doppelt und dreifach fürchten muss, weil der neue Trainer
Sabella es geschafft hat, dass Messi nicht nur in Barcelona sondern auch für
sein Heimatland zaubert und trifft. Dahinter liegen das namenlose Kollektiv aus
Ecuador und Kolumbien, dass von seiner Tormaschine Falcao lebt. Die beiden
haben zwischen sich und den Rest bereits vier Punkte gelegt. Vierter ist
momentan Venezuela, dass als einziges südamerikanisches Land noch nie an der
WM-Endrunde teilgenommen hat. Im Land von Hugo Chavez, wo Baseball eigentlich
die Nummer 1 ist, hofft man nun auf die erste WM-Teilnahme. Auch weil der
WM-Vierte Uruguay schwächelt, zuletzt 1:4 beim bisherigen Tabellenletzten
Bolivien unterging. Auch Chile (2010 im Achtelfinale) und WM-Dauerbrenner
Paraguay (seit 1998 immer dabei) haben Probleme, so dass das Rennen hinter den
Top 3 (ARG, ECU, COL) vollkommen offen erscheint.
In Asien sind nur noch zehn der 43 gestarteten Teams im
Wettbewerb, in zwei Fünfergruppen werden vier WM-Teilnehmer ermittelt, die
beiden Dritten ermitteln in einem Play-Off ein Team, was dann gegen den
Südamerika-Fünften ein weiteres Play-Off bestreitet. In den beiden Gruppen ist
Halbzeit, jedes Team hat vier seiner acht Spiele bestritten. In Gruppe A ist
das Rennen eng, zwischen Tabellenführer Südkorea und dem Letzten Libanon liegen
nur drei Punkte, neben diesen beiden haben als auch die dazwischenliegenden
Iran, Usbekistan und Katar noch absolut intakte Chancen. Vom Papier her sollten
die Koreaner und der Iran das Rennen machen, die Perser haben aber schon im
Libanon verloren, die Gruppe scheint also unberechenbar. In der anderen Gruppe
können die Japaner die WM-Tickets so gut wie buchen, sie haben fünf Pinkte
Vorsprung auf den Zweiten Australien. Die Kicker aus Down Under spielen eine
dünne Qualifikation, konnten am Dienstag durch zwei späte Tore im Irak ihren ersten
Sieg einfahren. Oman und Jordanien, beide wären WM-Neulinge hängen den Aussies
mächtig im Kreuz. Allerdings empfangen die Australier alle ihre Konkurrenten um
Platz 2 noch zu Hause, müssen nur in Japan auswärts antreten. Japan und
Australien sollten sich also durchsetzen, ob nun Oman, Jordanien oder der Irak
Favorit um Play-Off-Platz 3 sind, vermag ich nicht einzuschätzen.
In Afrika gibt es zehn Gruppen, deren Sieger fünf
Play-Offs-Spiele bestreiten. Die Sieger dieser K.O.-Spiele fahren dann anch
Brasilien. Der Modus ist also recht einfach. Allerdings ist die Lage in Afrika
derzeit noch relativ unübersichtlich, weil dort diese Woche erstmal die
Qualifikation für die Afrika-Meisterschaft im Januar beendet wurde, die
WM-Qualifikation startet erst 2013 so richtig durch. Dennoch wollen wir einen
ersten schnellen Blick wagen, einige Tendenzen sind durchaus schon ersichtlich,
nachdem jedes Team zwei seiner sechs Spiele bestritten hat. Mit Südafrika,
Ghana und Kamerun (dass übrigens Dienstag in der besagten Qualifikation für den
Afrika-Cup an den Kap Verdischen Inseln gescheitert ist (!)) sind bekannte
Namen in ihren Gruppen bereits ins Hintertreffen geraten. Dafür scheinen die
Ägypter, zwischen 2006 und 2010 dreimal in Folge Afrikameister, aber seit 1990
nicht mehr bei einer WM dabei, endlich mal eine gute WM-Qualifikation zu
spielen (sechs Punkte aus zwei Spielen). Auch der amtierende Afrikameister
Sambia und der mehrmalige WM-Teilnehmer Tunesien haben die Maximalpunktzahl
eingefahren, Teams wie die Elfenbeinküste oder Nigeria führen ihre Gruppen an.
Zum Schluss noch ein Blick ans andere Ende der Welt. In
Ozeanien sind noch vier Teams im Spielbetrieb, nur noch zwei haben aber Chancen
auf das Play-Off-Ticket gegen den Vierten aus Nordamerika. Die Neuseeländer führen
nach vier von sechs Spieltagen ihre Gruppe an, empfangen ihren letzten
verbliebenen Verfolger Neukaledonien noch zu Hause, sieht also gut aus für die
All Whites. Die Salomonen und Tahiti haben auch rechnerisch keine Chance mehr. Irgendwie schade... da Tahiti aber irgendwann mal Neuseeland bei der Kontinentalmeisterschaft geschlagen hat, sehen wir diese Truppe im kommenden Jahr beim Confederations-Cup. Irre...
Soweit ein Blick auf die WM-Qualifikation, die am 22. und
26.03.2013 mit dem nächsten Doppelspieltag fortgesetzt wird.