1956 kam meine Mutter auf die Welt. In Westdeutschland wird
die Wehrpflicht, in Belgien die Führerscheinpflicht eingeführt. In Kuba beginnt
mit dessen Landung an der Küste das Kapitel Fidel Castro, in Deutschland wird
Adolf Hitler von Amts wegen für tot erklärt. Und die Schweiz gewann ein
Fußballspiel gegen Deutschland. Es sollte das letzte bleiben bis zu jenem lauen
Frühlings-Nachmittag in Basel. Gestern. Am 26.05.2012. 56 Jahre nach 1956. Schweiz
5. Deutschland 3. Seit gestern ist nichts mehr so, wie es mal war. Der
Boulevard beschwört den Weltuntergang schon sechs Monate früher als der
Kalender der Maya, die letzte Woche noch als Vize-Deppen verschmähten (und
gestern fehlenden) Bayern-Kicker werden plötzlich als Heilsbringer gefeiert, während
den so lange gefeierten BVB-Doublehelden die Pest an den Hals gewünscht wird.
Wie verrückt die Fußball-Welt doch spielt, weil etwas passiert ist, was immer
passiert. Deutschland rumpelt sich durch ein zur Generalprobe ausgerufenes
Testspiel kurz vor einem großen Turnier und plötzlich fragen sich Millionen
Couch-Bundestrainer wie sich diese Gurkentruppe für eben jenes Turnier gegen
solche Fußball-Weltmächte wie Österreich und Kasachstan überhaupt qualifizieren
konnte. Vorm Sommermärchen verprügelten uns die Italiener 4:1 in Florenz, 2008
gab es ein heroisches 2:2 gegen Weißrussland, irgendwann vor der WM in
Südafrika verloren wir gegen Norwegen mit 0:1. Der Trainer der Skandinavier
sagte hinterher, er würde die Spieler, mit denen er heute Deutschland
geschlagen hat, nicht mal in Oslos Fußgängerzone erkennen. Was ich mit diesem
gar nicht so tiefen Griff in die fußballgeschichtliche Mottenkiste sagen will:
es ist alles so wie immer. Am 9. Juni zählts. Nicht Ende Mai. Heute berauschen
sich die Eidgenossen an ihren fünf Toren, in zwei Wochen gucken sie dann die EM
am Fernsehschirm. Schon unter Kaiser Franz oder Terrier Berti gabs grauenvolle
Testspiele, mich beunruhigte viel mehr so eine 3:0-Gala letzten Herbst gegen
Holland. Seit wann gewinnen wir unwichtige Testspiele? Noch dazu glanzvoll? Sind
wir jetzt wirklich wie die Holländer? Immer schön spielen. Aber nie was
gewinnen. Pokale, wichtige Spiele. Apropos Holländer: die ham gestern gegen
Bulgarien verloren, den 96. der Weltrangliste. Das Siegtor erzielte der
Torjäger vom FSV Frankfurt. Auch noch nicht in Form die Wohnwagenfahrer. Oder
machen die’s jetzt so wie wir? Unwichtige Spiele usw. Dann könnte es heiter
werden am 13.06. Aber lassen wir uns überraschen. Und bis dahin: locker bleiben! Und
das 3:5 abhaken. Ist doch wurscht. Der Pokal wird in vier Wochen vergeben.
Nicht gestern in Basel.
PS: Das war mein erster Beitrag fürs EM-Tagebuch 2012. Ich freue mich auf vier spannende Fußball-Wochen zwischen Rennsteig, Geratal und Douro und möchte diese mit ein paar Bemerkungen begleiten.
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