Letzte Woche habe ich mit einer Tradition gebrochen. Mit
einer Tradition, die mich 2010 immerhin zum Tippspiel-Weltmeistertitel geführt
hat. Ich habe nämlich immer bis zum letzten Tag gewartet, bevor ich mich im
Tippspiel endgültig entschieden hatte, wen ich wohin platziere, welches Spiel
ich wie tippe. Diesmal war alles anders, als erster hatte ich den Tippschein
ausgefüllt. Doch damit könnte ich schön auf die Schnauze fallen, denn einen Tag
nachdem ich die Italiener auf den EM-Thron getippt hatte, wurde Domenico
Criscito suspendiert, Stefano Mauri verhaftet und und und. Gestern gabs ne
saftige 0:3-Klatsche gegen Italien, Startorwart Buffon soll nun auch noch
verhört werden und Nationaltrainer Cesare Prandelli sprach in einer PK sogar davon,
dass er kein Problem hätte, wenn Italien bei der EURO nicht antritt, wenn dies
dem italienischen Fußball dienen sollte. „Mein Europameister“ in alle
Einzelteile zerlegt, die Mannschaft, die ich sogar vor Spanien als
Gruppensieger sehe (weswegen die Spanier dann schon im Viertelfinale an
Frankreich scheitern), saft-, kraft- und ideenlos eine Woche vor dem Turnier. Schönen
Gruß!
Aber wie so vieles im Leben hat alles auch sein Gutes. Von
den Auflösungserscheinungen bei der Squadra Azzura könnte ausgerechnet ein
Italiener profitieren. Giovanni Trapattoni! Der Nationaltrainer Irlands und
seine bzw. meine Boys in Green, nüchtern betrachtet, unter normalen Umständen
gegen Italien fast chancenlos, schielen dank der Wettmafia aufs Viertelfinale. Grandios!
:-) Wie geht die Gruppe C nun also aus? Welt- und Europameister Spanien scheint
schon wieder in absoluter Top-Form. Ohne alle Barca- und Bilbao-Stars wurde
Südkorea 4:1 weggefidelt, die Asiaten hatten nicht den Hauch einer Chance. Auch
ohne den verletzten David Villa scheint die spanische Offensive um
Bilbao-Bomber Llorente und den wiedererstarkten Fernando Torres unheimlich
stark, das Kombinationsspiel lief gegen die Asiaten gewohnt flüssig, die Abwehr
wurde kaum gefordert. Deswegen kann man nur schwer sagen, wie sich das Fehlen
von Abwehrchef Carlos Puyol auswirken wird. Eine Waffe fehlt den Spaniern damit
immerhin: ein Puyol-Kopfball nach einer Standardsituation kann die ansonsten in
der Luft schwachen Spanier nicht wieder retten, wie 2010 im WM-Halbfinale gegen
Deutschland. Einige Experten (mit DFB-Brille) wollten zudem eine gewisse
Sattheit bei Spaniens Stars ausgemacht haben, ich frage mich aber, je näher das
Turnier rückt, warum sollten die Jungs satt sein? Sie haben die Chance
Geschichte zu schreiben, drei große Turniere hat noch keine Mannschaft in Folge
gewonnen, den EM-Titel hat noch nie jemand verteidigt.
Zu den Italienern habe ich ja schon einiges geschrieben.
Unter Prandelli gelang nach der desaströsen WM sehr schnell die Kehrtwende, die
Qualifikation wurde souverän gemeistert, in Testspielen wie gegen Deutschland
(1:1 in Dortmund) und Spanien (2:1-Sieg) präsentierte sich das Team „auf Kurs“,
die Turniermannschaft Italien wirkte defensiv stabil und offensiv zielstrebig.
Es sah nicht gut aus für die Konkurrenz. Bis der Wettskandal kam… und mich
unsicher macht, ob ich meine Prognose Gruppensieg und EM-Titel in den nächsten
Tagen nicht doch noch mal über den Haufen schmeisse. Dagegen sprechen die
Erfahrungen aus 2006. Damals erschütterte der Manipulationsskandal Italien, der
Calcio lag am Boden, Juve wurde in die zweite Liga verbannt… und Italien wurde
Weltmeister.
Je länger der aktuelle Skandal dauert, umso mehr profitieren
davon vielleicht meine Iren. Für die Boys in Green sind Spiele gegen Armenien
oder Kasachstan in der Qualifikation immer der größere Horror als die Aussicht
auf so eine Top-Gruppe wie jetzt bei der EURO. Denn gegen Mannschaft die sich
hinten reinstellen, haben es die kampfstarken, leidenschaftlichen Iren immer
schwer, sie finden kein spielerisches Rezept einen Beton anrührenden Gegner auszuspielen.
Gegen die Großen sieht das ganz anders aus. Und grad gegen die beiden
Gruppengegner gelang den Iren „zuletzt“ bei großen Turnieren bemerkenswertes. Im
Achtelfinale der WM 2002 zwangen sie die Spanier ins Elfmeterschießen, gegen
Italien blieben sie bei der WM 1994 (1:0-Sieg) und bei der EURO 88 (1:1) sogar
ungeschlagen. Okay, ist lange her, aber so oft sind die Iren ja nicht
qualifiziert. ;-) Und man klammert sich als Irland-Fan schließlich an jeden
Strohhalm. Schlüsselspiel für die Jungs von der Insel könnte gleich das
Auftaktmatch gegen Kroatien werden, wenn man eine Chance haben will, die Gruppe
zu überstehen, muss die Truppe von Slaven Bilic bezwungen werden. Irgendwie ein Tor reinkämpfen. Robbie Keane! Und hinten hält Shay Given, der sicherlich ein klarer Pluspunkt für die Iren in diesem Turnier ist, den Kasten sauber. Come
on, you Boys in Green!
Apropos Kroatien: die haben es nicht mal geschafft, ihr
schwache Qualifikationsgruppe zu gewinnen, sie verlieren Testspiele in Serie,
Nationalcoach Bilic dankt nach der EURO ab. Das Losglück bescherte ihnen für
die Relegation die noch schlechteren Türken, die mit einem Galaabend in
Istanbul bezwungen wurden. Kroatien macht vor dem Turnier nicht den Eindruck,
dass es viel reißen könnte. Für mich stehen die noch hinter den Iren.
Mein Tipp für die Gruppe C:
Spanien wird Gruppensieger vor… Italien oder Irland… und
Kroatien wird Letzter. Ich weiß es einfach nicht, mein Herz sieht natürlich die
Iren auf Platz zwei, aber da ist ja noch der Verstand. Den haben die Russen
aber gestern mit ihrem 3:0 über die Prandelli-Truppe ganz schön bearbeitet. Und
mit einem Tipp auf Irland könnte ich im Fall der Fälle natürlich fett punkten
im Tippspiel. Nein, ich entscheide mich für Italien. Also: SPANIEN – ITALIEN –
IRLAND – KROATIEN.
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