01.07.2004

Die Zipfelmützen bei der EURO 2004

Die Anreise nach Portugal

Es ist Samstag der 12. Juni 2004. Um vier Uhr in der Nacht begann für Björn, David und Herrn Schulz sowie unseren vierten Mann René dass größte aller bisherigen Zipfelmützen-Abenteuer. René? Wer ist überhaupt René? René stammt aus dem Freundeskreis von David und ersetzte unseren Chrischi, der wegen der während der EURO 2004 anstehenden Zwischenprüfungen die Tour nach Portugal kurzfristig absagen musste. Fieberhaft begann daraufhin die Suche nach einem Ersatzmann und schließlich war es David der fündig wurde. Und aus dem Ersatzmann wurde ein Volltreffer. Einen, den Björn und Christian bis zu diesen Morgenstunden des 12.06. überhaupt nicht kannten. Doch das war überhaupt kein Problem. Denn René passte einfach wunderbar in unsere Gruppe. Und schon ging es los… Vier Jungs, ein bis unter die Decke beladenes Auto und jede Menge gute Laune.

Wir hatten die Fahrstrecke in vier Teile gegliedert. Deutschland und Lothringen fuhr Björn, von Metz über Paris nach Poitiers steuerte David, die Nachtroute über Bordeaux und das Baskenland bis nach Zentralspanien übernahm Christian und der letzte Teil, durch Nordwestspanien und Portugal war für René vorgesehen.

Die Autobahnkilometer in Deutschland vergingen wie im Flug. Die Piste war frei und so ließen wir mit Eisenach, Gießen, Frankfurt, Mainz, Kaiserslautern und Saarbrücken Stadt für Stadt hinter uns. Allerdings nicht ohne uns sportlich zu betätigen. Wie vom ADAC empfohlen nutzen wir die Pausen zur Leibesertüchtigung. Aber natürlich nicht die übliche 08/15 Gymnastik. Stattdessen flog auf einem einsamen Autobahnparkplatz im Donnersbergkreis (Ja, den gibt’s wirklich!) das Bällchen hin und her. Diese Art Pausensport wurde später dann auch in Frankreich und Spanien fortgesetzt.

Kaum hatten waren wir die deutsch-französische Grenze passiert, wurden wir mit der für deutsche Landstraßen-Kapitäne völlig ungewohnten europäischen Unart namens „Mautstation“ konfrontiert. Wir zogen Ticket um Ticket, wir bezahlten Euro für Euro. Später, an der spanischen Grenze sollten wir bei ca. 85 Euro aufhören, die Kohle zu zählen.

Nach einem Tankstopp in Metz sowie dem planmäßigen Fahrertausch in Verdun erreichten wir mit David am Steuer Paris. Von Eiffelturm, Louvre und Co. sieht man auf der Autobahn leider überhaupt nichts. Stattdessen wartete der erste Stau unserer Tour auf uns. Obwohl wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, dass es auch der letzte Stau war, konnte auch der plötzliche Stillstand unsere stündlich wachsende Vorfreude auf Portugal nicht bremsen – im Gegenteil: nur im Stau kann man den tatsächlich überaus hübschen Französinnen auch mal genauer in die Augen schauen.

Die A 10 schien endlos. Kilometer um Kilometer ging es immer geradeaus gen Süden. Orleans. Tours. Es wurde wärmer und wärmer. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel. Der Asphalt glüte. Im inneren des Wagens tat die nicht vorhandene Klimaanlage ihr übriges. Endlich, es war gegen 16.00 Uhr erreichten wir Poitiers. Es war Halbzeit. Über 1200 km lagen hinter uns. Zeit für die große Pause.

Poitiers ist eine schöne Stadt mit einem malerischen Altstadtkern. Die Menschen genossen den Sommer in den Straßencafes. Hier begann für uns die EURO 2004. Ein perfekter Platz. In einer netten Brasserie verfolgten wir das Eröffnungsspiel zwischen Portugal und Griechenland. An diesem Samstag waren die Franzosen um uns herum noch sichtlich darüber amüsiert, dass sich der hellenische Underdog gegen den Favoriten Portugal durchsetzte. In 13 Tagen, wenn wir wieder hier sein werden, wird dies ganz anders sein. Nachdem wir auch den spanischen Sieg gegen Russland erlebt hatten, verließen wir Poitiers um kurz vor elf. Christian saß mittlerweile am Steuer. Der erste Tag war fast geschafft. Portugal rief. Von Minute zu Minute lauter.

Leider verhüllte die Dunkelheit nun die Schönheiten der südfranzösischen Landschaft. Die beeindruckenden, endlos scheinenden Wälder, die „Foret des Landes“ sollten wir erst auf der Rückfahrt zu sehen bekommen. Das war insbesondere für Björn schade, denn bei ihm wollte es mit dem einschlafen gar nicht so recht klappen.

An der französisch-spanischen Grenze waren dann alle wieder wach. Denn zu unserer Überraschung wurde das Schengen-Abkommen nicht erst an der portugiesischen Grenze außer Kraft gesetzt, sondern bereits hier. Passkontrolle. Da wir vier brave Jungs sind, durften wir die iberische Halbinsel erobern. Kaum in Spanien angekommen, erfreuten wir uns an den paradiesischen Benzinpreisen. Einmal voll tanken bitte. Christian, David und Rene legten noch einen nächtlichen Imbiss ein. Björn waren die spanischen Automaten-Sandwiches dagegen nicht geheuer.

Das Bild links und rechts der Autobahn wandelte sich in Spanien zunächst stark. Irun, San Sebastian, Vitoria Gasteiz. Stadt reihte sich an Stadt. Die Lichter der Häuser und Straßenlaternen bildeten einen Gegensatz zum ländlichen Frankreich. Und auch die Streckenführung war nun anders. Es ging auf und ab. Kurve reihte sich an Kurve. Die Tunnel wirkten für einen Bauordnungsgeschädigten Deutschen teilweise abenteuerlich eng. Man hatte das Gefühl, auf einer Achterbahn unterwegs zu sein. Wie wild die Basken die Autobahn durch ihr bergiges Land gebaut hatten sollten wir auch erst auf der Rückfahrt sehen. Denn noch war tiefe Nacht. David nutzte diese am besten. Er schlief und schlief und schlief. Doch dies sollten wir schon bald zu schätzen wissen.

Vor Burgos gab es den letzten Fahrerwechsel. Es war zwischen vier und fünf, wir waren also nun 24 Stunden unterwegs. René klemmte sich recht verschlafen hinter das Steuer. Doch dort blieb er nicht lange. Nach einer guten Stunde musste Björn wieder übernehmen. René hatte die Nacht nicht gut geschlafen. Er war hundemüde. Langsam begann der Sonntag zu erwachen. Zum ersten Mal zeigte sich uns nun die spanische Landschaft. Allerdings gab es in Zentralspanien nicht viel zu sehen. Obwohl es heller und heller wurde. Die Landschaft war eintönig. Ebenes, staubtrockenes Grasland so weit das Auge reichte. Die Landstraße führte endlos geradeaus. Menschen sahen wir kilometerweit nicht. Nur ab und an passierten wir ein Dorf. Aber auch dort herrschte die große Leere. Kurz vor der Rückkehr auf die Autobahn tauchte mitten im Nichts eine Tankstelle auf. Mit Händen und Füssen bestellten wir uns frische Sandwiches. Diesmal griff auch Björn zu. So ein Sonntag muss schließlich mit einem zünftigen Frühstück begonnen werden.

Auch die Sandwiches halfen aber nichts. Auch Björn konnte die Augen nicht dauerhaft offen halten. Und nun kam David ins Spiel. Mein Gott waren wir dankbar, dass er die Nacht über so vorzüglich geschlafen hatte.

David steuerte uns über die A 52 nach Portugal. Überraschenderweise gab es an der spanisch-portugiesischen Grenze keinerlei Kontrollen. Im Gegenteil - wie fast überall in der EU bekam man von einer Staatsgrenze sehr wenig mit. Plötzlich waren wir im gelobten Land. Portugal hier sind wir!

Je näher wir unserem Zielgebiet kamen, umso enger wurden die Landstraßen. Der absolute Gegensatz zur spanischen Einöde. Eine abwechslungsreiche Berg- und Talfahrt durch beeindruckende Landschaften. Majestätische Berge. Wunderschöne Täler. Und schon bald lernten wir die ungeschriebenen Gesetze im portugiesischen Straßenverkehr kennen. Enge Kurven werden nicht vorsichtig sondern laut angefahren. Wer hupt, hat Vorfahrt.

Sehr kompliziert gestaltete sich die Suche unseres Feriengutes. Hier waren wir auf die Hilfe unserer portugiesischen Gastgeber angewiesen. Zwar konnten uns viele nicht weiterhelfen, aber jeder war auf teilweise unnachahmliche Weise bemüht, die Zipfelmützen zu ihrem Quartier zu lotsen. Ein besonders besorgter Einheimischer fuhr sogar fast eine halbe Stunde als Lotse vor uns her. Um am Ende aber schließlich auch zu fragen…  Den entscheidenden Tipp bekamen wir erst, als wir schon ganz nah am Ziel waren. Doch dann waren hatten wir es geschafft. Porto Manso. Casa di Torre. Fast 2500 km. Über 30 Stunden. Doch wir sollten in den kommenden Tagen für die Mühen reichlich entschädigt werden.