02.06.2012

EM-Tagebuch 2012 - 2


Letzte Woche habe ich mit einer Tradition gebrochen. Mit einer Tradition, die mich 2010 immerhin zum Tippspiel-Weltmeistertitel geführt hat. Ich habe nämlich immer bis zum letzten Tag gewartet, bevor ich mich im Tippspiel endgültig entschieden hatte, wen ich wohin platziere, welches Spiel ich wie tippe. Diesmal war alles anders, als erster hatte ich den Tippschein ausgefüllt. Doch damit könnte ich schön auf die Schnauze fallen, denn einen Tag nachdem ich die Italiener auf den EM-Thron getippt hatte, wurde Domenico Criscito suspendiert, Stefano Mauri verhaftet und und und. Gestern gabs ne saftige 0:3-Klatsche gegen Italien, Startorwart Buffon soll nun auch noch verhört werden und Nationaltrainer Cesare Prandelli sprach in einer PK sogar davon, dass er kein Problem hätte, wenn Italien bei der EURO nicht antritt, wenn dies dem italienischen Fußball dienen sollte. „Mein Europameister“ in alle Einzelteile zerlegt, die Mannschaft, die ich sogar vor Spanien als Gruppensieger sehe (weswegen die Spanier dann schon im Viertelfinale an Frankreich scheitern), saft-, kraft- und ideenlos eine Woche vor dem Turnier. Schönen Gruß!

Aber wie so vieles im Leben hat alles auch sein Gutes. Von den Auflösungserscheinungen bei der Squadra Azzura könnte ausgerechnet ein Italiener profitieren. Giovanni Trapattoni! Der Nationaltrainer Irlands und seine bzw. meine Boys in Green, nüchtern betrachtet, unter normalen Umständen gegen Italien fast chancenlos, schielen dank der Wettmafia aufs Viertelfinale. Grandios! :-) Wie geht die Gruppe C nun also aus? Welt- und Europameister Spanien scheint schon wieder in absoluter Top-Form. Ohne alle Barca- und Bilbao-Stars wurde Südkorea 4:1 weggefidelt, die Asiaten hatten nicht den Hauch einer Chance. Auch ohne den verletzten David Villa scheint die spanische Offensive um Bilbao-Bomber Llorente und den wiedererstarkten Fernando Torres unheimlich stark, das Kombinationsspiel lief gegen die Asiaten gewohnt flüssig, die Abwehr wurde kaum gefordert. Deswegen kann man nur schwer sagen, wie sich das Fehlen von Abwehrchef Carlos Puyol auswirken wird. Eine Waffe fehlt den Spaniern damit immerhin: ein Puyol-Kopfball nach einer Standardsituation kann die ansonsten in der Luft schwachen Spanier nicht wieder retten, wie 2010 im WM-Halbfinale gegen Deutschland. Einige Experten (mit DFB-Brille) wollten zudem eine gewisse Sattheit bei Spaniens Stars ausgemacht haben, ich frage mich aber, je näher das Turnier rückt, warum sollten die Jungs satt sein? Sie haben die Chance Geschichte zu schreiben, drei große Turniere hat noch keine Mannschaft in Folge gewonnen, den EM-Titel hat noch nie jemand verteidigt.

Zu den Italienern habe ich ja schon einiges geschrieben. Unter Prandelli gelang nach der desaströsen WM sehr schnell die Kehrtwende, die Qualifikation wurde souverän gemeistert, in Testspielen wie gegen Deutschland (1:1 in Dortmund) und Spanien (2:1-Sieg) präsentierte sich das Team „auf Kurs“, die Turniermannschaft Italien wirkte defensiv stabil und offensiv zielstrebig. Es sah nicht gut aus für die Konkurrenz. Bis der Wettskandal kam… und mich unsicher macht, ob ich meine Prognose Gruppensieg und EM-Titel in den nächsten Tagen nicht doch noch mal über den Haufen schmeisse. Dagegen sprechen die Erfahrungen aus 2006. Damals erschütterte der Manipulationsskandal Italien, der Calcio lag am Boden, Juve wurde in die zweite Liga verbannt… und Italien wurde Weltmeister.

Je länger der aktuelle Skandal dauert, umso mehr profitieren davon vielleicht meine Iren. Für die Boys in Green sind Spiele gegen Armenien oder Kasachstan in der Qualifikation immer der größere Horror als die Aussicht auf so eine Top-Gruppe wie jetzt bei der EURO. Denn gegen Mannschaft die sich hinten reinstellen, haben es die kampfstarken, leidenschaftlichen Iren immer schwer, sie finden kein spielerisches Rezept einen Beton anrührenden Gegner auszuspielen. Gegen die Großen sieht das ganz anders aus. Und grad gegen die beiden Gruppengegner gelang den Iren „zuletzt“ bei großen Turnieren bemerkenswertes. Im Achtelfinale der WM 2002 zwangen sie die Spanier ins Elfmeterschießen, gegen Italien blieben sie bei der WM 1994 (1:0-Sieg) und bei der EURO 88 (1:1) sogar ungeschlagen. Okay, ist lange her, aber so oft sind die Iren ja nicht qualifiziert. ;-) Und man klammert sich als Irland-Fan schließlich an jeden Strohhalm. Schlüsselspiel für die Jungs von der Insel könnte gleich das Auftaktmatch gegen Kroatien werden, wenn man eine Chance haben will, die Gruppe zu überstehen, muss die Truppe von Slaven Bilic bezwungen werden. Irgendwie ein Tor reinkämpfen. Robbie Keane! Und hinten hält Shay Given, der sicherlich ein klarer Pluspunkt für die Iren in diesem Turnier ist, den Kasten sauber. Come on, you Boys in Green!

Apropos Kroatien: die haben es nicht mal geschafft, ihr schwache Qualifikationsgruppe zu gewinnen, sie verlieren Testspiele in Serie, Nationalcoach Bilic dankt nach der EURO ab. Das Losglück bescherte ihnen für die Relegation die noch schlechteren Türken, die mit einem Galaabend in Istanbul bezwungen wurden. Kroatien macht vor dem Turnier nicht den Eindruck, dass es viel reißen könnte. Für mich stehen die noch hinter den Iren.

Mein Tipp für die Gruppe C:

Spanien wird Gruppensieger vor… Italien oder Irland… und Kroatien wird Letzter. Ich weiß es einfach nicht, mein Herz sieht natürlich die Iren auf Platz zwei, aber da ist ja noch der Verstand. Den haben die Russen aber gestern mit ihrem 3:0 über die Prandelli-Truppe ganz schön bearbeitet. Und mit einem Tipp auf Irland könnte ich im Fall der Fälle natürlich fett punkten im Tippspiel. Nein, ich entscheide mich für Italien. Also: SPANIEN – ITALIEN – IRLAND – KROATIEN.

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