03.12.2013

Lostöpfe. Skandal? Normal!

Schmiergelder in Millionenhöhe, greise Funktionäre mit (vorsichtig ausgedrückt) befremdlichen Lebensläufen oder eine in die Wüste vergebene Fußball-Weltmeisterschaft 2022... die Fifa steht (in der Regel zu Recht) regelmäßig im Kreuzfeuer der medialen und öffentlichen Kritik. Und weil es eben momentan "schick" ist, den Fußball-Weltverband zu kritisieren, wird alles ohne Hintergrundwissen skandalisiert, was in Zürich-Hottingen entschieden wird. Ein Paradebeispiel lieferte heute morgen die Bild, die mal wieder ein ganz großes Stück Gossenjournalismus ablieferte. Traurig nur, dass von mir durchaus geschätzte Portale wie spox.com auf der Skandalwelle der Bild mitsurften und diesen Schund kritiklos abschrieben.

Was ist passiert? Die Bild schockierte ihre Leser heute morgen mit der Schlagzeile, dass sich die Fifa "ihre Wunsch-WM bastelt". Hintergrund ist die von der Bild vermutete und mittlerweile vom Weltverband bestätigte Einteilung der Lostöpfe für die Auslosung der Endrundengruppen am Nikolaustag um 17:00 Uhr. Die Bild stellte fest, dass es bei der Verteilung der Mannschaften auf die Töpfe "PLÖTZLICH nicht mehr um Zahlen, sondern um merkwürdige geografische und sportliche Faktoren" geht. Doch der von der Fifa festgelegte und von der Bild so heftig kritisierte Mix aus sportlichen und geografischen Kriterien wurde vom Weltverband bei allen Endrundenauslosungen angewendet, die ich verfolgt habe. Und das tue ich nun bereits seit der WM in den USA 1994, also seit 24 Jahren. Das Prozedere ist daher also keinesfalls eine Überraschung, wie der Bild-Artikel heute morgen dem gemeinen Leser zu vermitteln versuchte. Im Gegenteil, es hat sich seit vielen Jahren bewährt. Ich möchte daher nun einige Worte verlieren, warum welche Mannschaften in diesem oder jenem Pott gelandet sind und aufzeigen, dass der Fifa die Einteilung der Lostöpfe unter Berücksichtigung ihrer seit Jahren angewandten Kriterien (insbesondere demjenigen, dass keine zwei Mannschaften vom gleichen Kontinent - Ausnahme Europa - in der gleichen Vorrundengruppe spielen sollen) durchaus gelungen ist. Und selbst wenn man darüber noch streiten kann, ein plötzlicher Skandal, wie ihn die Bild-Zeitung sieht, ist die Einteilung wirklich nicht.

Neben dem traditionell gesetzten Gastgeber (hier also Brasilien) teilte die Fifa auf Grundlage der Oktober-Weltrangliste die dort sieben punktbesten Nationen in den Topf 1 ein. Das sind Spanien, Deutschland, Argentinien, Kolumbien, Uruguay, Belgien und die Schweiz. Der Topf 1 wurde also rein nach sportlichen Kriterien aufgestellt. Viele waren ja erstaunt, dass Kolumbien oder die Schweiz statt der vermeintlich großen Namen Niederlande, Italien, Frankreich oder England als Gruppenköpfe gesetzt sind, aber die Weltrangliste lügt nun mal nicht und wenn sich beispielsweise an die Vorstellung der Three Lions gegen uns vor kurzem erinnert, wird England in Topf sicherlich nicht vermissen.

Es blieben also 24 Teams übrig, die auf drei Töpfe zu verteilen waren. Oberstes Prinzip der Fifa ist es, dass Mannschaften vom gleichen Kontinent nicht in der gleichen Gruppe spielen sollen. Eine Ausnahme stellt hier Europa dar, da unser Kontinent mit 13 Teams mehr Vertreter schickt, als es Gruppen gibt. Es ist einfach unattraktiv, wenn sich in einer Gruppe drei afrikanische, in einer anderen drei asiatische Mannschaften tummeln. Die WM lebt ja auch von der Vielfalt der Spiele, dass man also nicht wieder auf die Mannschaften trifft, gegen die man auch in der WM-Qualifikation oder bei der kontinentalen Meisterschaft antritt. Wegen dieses Prinzips wendet die Fifa nicht ausschließlich die Weltrangliste für die Einteilung der Töpfe an. Sie tut dies hauptsächlich beim Topf 1, um die vermeintlich stärksten Teams zu trennen. Für die Töpfe 2 bis 4 spielt die Herkunft der Teams eine Rolle. Und so wurden für die Auslosung am Freitag die afrikanischen und südamerikanischen Teams in Topf 2, die nordamerikanischen und asiatischen Teams in Topf 3 und die europäischen Teams in Topf 4 eingeteilt. In Topf 4 befinden sich also sogar neun Teams, ich möchte es aber jetzt nicht unnötig kompliziert machen. Das "übrige" neunte Team wird in den Topf 2 wandern und diesen vervollständigen. Das sollte reichen.

Wenn wir uns die Töpfe genauer anschauen, wird klar, dass die Fifa mit dieser Einteilung ganz gut fährt. Nehmen wir als Beispiel den dritten Topf. Sieht man, wenn man es mit Klinsi gut meint, mal von den US-Amerikanern ab, befinden sich hier mit Costa Rica, Honduras, Australien, dem Iran, Japan, Südkorea und Mexiko (die eine ganz schwache Qualifikation gespielt haben) Teams, die sich absolut auf Augenhöhe befinden. Zwar wurde der Topf nach geografischen Kriterien zusammengesetellt, aus meiner Sicht passt das aber auch sportlich. Gleiches gilt für den Topf 2, wo sich Algerien, Nigeria, die Elfenbeinküste, Ghana, Kamerun, Chile und Ecuador aus meiner Sicht ebenfalls gut ergänzen. Nicht nur geografisch, auch sportlich! Im europäischen Topf gibt es sicherlich einige Unterschiede zwischen Mitfavoriten wie den Niederländern und Außenseitern wie Bosnien-Herzegowina, aber einerseits hätten die Niederländer ja auch so ordentlich Fußball spielen können, dass sie unter den Top 8 der Weltrangliste gelandet wären und andererseits lebt doch eine Auslosung und die Endrunde selbst auch von der ein oder anderen viel beschworenen Hammergruppe. 

Hätte die Fifa unter Berücksichtigung des oben beschriebenen Prinzips (ein Team pro Kontinent je Gruppe) die Töpfe ausschließlich auf Grundlage der Weltrangliste eingeteilt, hätte es ähnlich wie bei den Auslosungen zur Champions League eines Computers bedurft, der dann während der Auslosung ständig die für das jeweils gezogene Team noch möglichen Gruppen ermittelt. Und auch dieses System wird ja von vielen als intransparent und umständlich kritisiert. Fazit: es gibt sicher immer eine andere, wahrscheinlich auch eine noch bessere Lösung. Wenn man aber den Computer vollkommen raushalten will, ist das seit Jahren bewährte und nun wieder angewandte Verfahren zur Einteilung der Lostöpfe sicherlich der beste Kompromiss. GANZ SICHER IST ES ABER KEIN SKANDAL! Und eins sollte nicht vergessen werden: Wer Weltmeister werden will, muss ohnehin jeden schlagen!

Und nach so Theorie kommen wir nun zur Praxis. Was ist für Deutschland möglich? Todesgruppe? Urlaub während der Vorrunde?

Die schwerste Gruppe:

Deutschland
Chile ODER Elfenbeinküste
USA
Italien ODER Niederlande

Die leichteste Gruppe:

Deutschland
Algerien
Honduras
Bosnien-Herzegowina ODER England ;-)

Für den Gastgeber wäre tatsächlich diese Gruppe möglich:

Brasilien
Italien
Niederlande
USA

Das hätte doch wirklich was! :-)

Und damit niemand sagen kann, bei den Zipfelmützen würde er nicht rundrum informiert anbei noch das offizielle Ergebnis der soeben unter Anwendung der offiziellen FIFA-Kriterien erfolgten Auslosung:




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