07.12.2013

Thank you, Geoff!



So, wenn selbst Noch-Vizekanzler Philipp Rösler seinen Senf zur Auslosung gibt (er sieht ein Finale Deutschland vs. Italien), dann will ich auch mal ein paar Sätze zu dem schreiben, was sich da vorhin im Neun-Millionen-Dollar-Zelt der Fifa abgespielt hat. Wie immer ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder die Einhaltung der guten Sitten. Also, auf geht’s.

Gruppe A (Brasilien, Kroatien, Mexiko, Kamerun)

Die Brasilianer dürften nach der Auslosung wohl eher besorgt in Richtung Achtelfinale schauen, wo Spanien, Holland und Chile warten. Eine tiefgründige Analyse der Vorrundengruppe erscheint mir nicht nötig: Kroatien bekam die WM nach einer durchwachsenen Qualifikation, in der man deutlich an Belgien scheiterte, mit dem Island-Los quasi auf dem Silbertablett serviert. Mexiko war eigentlich schon gescheitert (FUCK YOU, JÜRGEN!). Und Kamerun? Dort gibt Samuel Eto’o mehr oder weniger im täglichen Wechsel seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft bzw. sein Comeback bekannt. Ansonsten halte ich vom afrikanischen Fußball (abgesehen von Ghana vielleicht) nicht viel. Was ich so vom Afrika-Cup oder der afrikanischen WM-Qualifikation gesehen habe, war eher zum fürchten. Volker Finke dürfte seinen Strandkorb noch nicht fertig aufgebaut haben, da sind die unzähmbaren Löwen schon wieder nach Hause geflogen. Falls der unfähige Verband ein paar Flugtickets bestellt hat. Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn die Fifa ihre Lostöpfe nach sportlichen und geografischen Kriterien einteilt, dann mach ich das bei meiner Entscheidung in Gruppe A auch: Brasilien wird die Gruppe im Schongang gewinnen, Kamerun scheidet todsicher aus. Soweit die sportlichen Gründe. Zwischen Kroatien und Mexiko wird’s eng. Hier nehme ich aus geografischen Gründen Mexiko, europäische Mannschaften sehen bei Weltmeisterschaften in Amerika immer schlecht aus.

1. Brasilien, 2. Mexiko, 3. Kroatien, 4. Kamerun

Gruppe B (Spanien, Niederlande, Chile, Australien)

Gab’s das schon mal? Das letzte WM-Finale ist das Eröffnungsspiel für die beiden Kontrahenten bei der nächsten WM. Mein lieber Schwan, was für eine geile Gruppe. Denn zu den beiden europäischen Schwergewichten gesellt sich auch noch Chile, die, angeführt von Arturo Vidal, eine bockstarke Qualifikation gespielt haben. Wär doch herrlich, wenn die Südamerikaner einen der beiden Titelaspiranten nach Hause schicken könnten. Und ich weiß nicht mal, wen ich mir lieber wünschen sollte. Die Spanier, die nun langsam mal genug Titel gewonnen haben oder die Holländer, denen man ja aus alter Gewohnheit nicht mal den Dreck am Wohnwagen gönnt. Tippe ich nun also riskant oder konservativ? Bevor ich mich entscheide noch fix ein Wort zu Australien. Die können einem nur leid tun, für die Socceroos dürfte es in dieser Gruppe keine Punkte in den Beutel geben. Zurück an die Tabellenspitze… Ob die Spanier noch heiß sind, fragt man sich ja mittlerweile vor jedem Turnier und schaut dann beschämt zu Boden, wenn sie am Ende wieder den Cup bekommen. Bei den Holländern kann ich mir nur schwer vorstellen, dass sie nach der grottigen EM nochmal so tief ins Klo greifen. Daher…

1. Spanien, 2. Niederlande, 3. Chile, 4. Australien


Gruppe C (Kolumbien, Griechenland, Elfenbeinküste, Japan)

Oh, das ist eine geile Gruppe. Ja, wirklich! Gab es jemals eine ausgeglichenere WM-Vorrundengruppe? Vielleicht zu Kaisers Zeiten, als es dieses ganze Lostopf-Gedöns noch gar nicht gab. Als es noch nicht mal eine WM gab. Hier in Gruppe C hat die Augenhöhe ihre Heimat. Kolumbien ist nach 16 langen Jahren (endlich) mal wieder dabei und stellt mit Radamel Falcao, Jackson Martinez und James Rodriguez einen sagenhaften Sturm. Das Augenhöhe aber nicht Einheitsbrei heißt, zeigt Griechenland, das mit seiner Betonabwehr einen krassen Gegenentwurf zu den Kolumbianern darstellt. Aber Vorsicht: mit Kostas Mitroglu haben die Hellenen plötzlich auch einen starken Sturmführer. Die Elfenbeinküste um ihren Überstar Didier Drogba dürfte sich wie im falschen Film vorgekommen sein. Endlich mal keine Todesgruppe, keine Holländer, Argentinier, Portugiesen oder Brasilianer als Gruppengegner wie bei den beiden vorangegangenen Endrunden. Für die goldene Generation der Ivorer ist es wohl die letzte Chance, bei einer WM mal was zu reißen. Und die Qualität der Japaner zeigt sich allein schon darin, dass der Kader nicht mehr aus 23 J-League-Profis besteht sondern die Kicker aus dem Land der aufgehenden Sonne mittlerweile massenhaft fernab der Heimat in den europäischen Top-Ligen spielen. Wer setzt sich also durch? Die technisch beschlagenen Offensivkünstler aus Kolumbien und der Elfenbeinküste, die unterkühlten Defensivstrategen aus Griechenland oder die aufstrebenden Japaner, die längst nicht mehr nur ein gutes Kollektiv bilden, sondern auch Stars haben (Kagawa, Honda), die aus diesem herausragen.

1. Griechenland, 2. Japan, 3. Kolumbien, 4. Elfenbeinküste

Gruppe D (Uruguay, Costa Rica, England, Italien)

Hat sich die Fifa ihre Wunsch-WM vielleicht doch gebastelt? Das ist ja schon wieder so eine geile Gruppe! Drei Ex-Weltmeister und die Riesenchance, dass England nach der Vorrunde nach Hause fährt. Herrlich! Und bei der Auslosung zeigte sich mal wieder, dass es im Leben doch noch Gerechtigkeit gibt. Denn es war ausgerechnet Geoff Hurst, der Schütze des legendären Wembley-Tores höchtselbst, der seine Nation in diese irre Gruppe loste. Und weil der gute Geoff sich direkt nach der Auslosung die Frage stellte, ob man ihn überhaupt wieder einreisen lässt, möchte ich einen Vorteil nennen, den diese Gruppe für England hat: Sie werden nicht im Elfmeterschießen ausscheiden. Das gibt’s nämlich in der Vorrunde noch nicht! So, genug die drei Löwen gemobbt. Ein paar seriöse Worte zur Gruppe: Italien ist die klare Nummer 1. Dahinter sehe ich Uruguay, auch wenn die in der Qualifikation nicht durchweg überzeugt haben. Aber auch vor ihrem vierten Platz 2010 mussten sie in die Relegation. Und wer einen Sturm mit Luis Suarez und Edinson Cavani hat und von der Bank Diego Forlan bringen kann, braucht sich vor England nun wirklich keine Sorgen machen. Denn wie dünn das Niveau der Insulaner mittlerweile ist, zeigte sich außer in der reichlich holprigen Qualifikation insbesondere im letzten Testspiel Mitte November gegen unsere B-Elf. Und Costa Rica? Nun, ein unangenehmer Spielverderber, dem ich durchaus zutraue, zumindest England und Uruguay in Bedrängnis zu bringen.

1. Italien, 2. Uruguay, 3. England, 4. Costa Rica

Gruppe E (Schweiz, Ecuador, Frankreich, Honduras)

So, kleiner Hänger bei den Gruppen. Die ist jetzt nicht so der Knüller. Bei Franzosen weiß ich nicht so recht, was ich von denen halten soll. Sehen wir in Brasilien zahlreiche Einzelkönner, deren Ego zu groß für einen WM-Kader ist? Oder die Franzosen aus dem Ukraine-Rückspiel, die dieses in Massen vorhandene Talent (Ribery, Benzema, Nasri, Lloris und und und) ins Team einbringen? Je nachdem, wie diese Fragen beantwortet werden, ist für „les bleus“ alles drin. Vom souveränen Gruppensieg bis zum Aus in der Vorrunde. Die Schweiz rutschte sicher auch dank der einfachen Qualifikationsgruppe bis in den Topf 1 vor, dennoch macht die Kombination aus guten Spielern (Inler, Dzemaili, Behrami, Xhaka, Shaqiri – ja die spielen wirklich alle für die Schweiz!) und Trainerlegende Ottmar Hitzfeld die Eidgenossen zu einem beachtenswerten WM-Teilnehmer. Und bei den letzten Endrunden konnten die Schweizer immer überzeugen: 2006 schieden sie ohne Gegentor aus, 2010 schlugen sie den späteren Weltmeister Spanien. Einerseits wirft man Ecuador immer vor, in der Qualifikation nur von der Höhenlage ihres Nationalstadions zu profitieren, andererseits hat das Team bei seinen bisherigen beiden Teilnahmen 2002 und 2006 jeweils die Vorrunde überstanden. Und auch hier ist das für die Mannschaft um ManU-Star Valencia möglich, ich halte es aber eher für unwahrscheinlich. Honduras füllt die Gruppe auf. Unangenehmer Außenseiter. Nicht weniger, aber keinesfalls mehr.

1. Frankreich, 2. Schweiz, 3. Ecuador, 4. Honduras


Gruppe F (Argentinien, Bosnien-Herzegowina, Iran, Nigeria)

Für mich die langweiligste und uninteressanteste Gruppe. Die Argentinier werden ganz sicher das Achtelfinale erreichen und bräuchten sich dafür nicht einmal umziehen. Was ich vom afrikanischen Fußball halte, habe ich in Gruppe A geschrieben. Die von unzähligen Experten nach Nigerias Olympiasieg 1996 vorhergesagte Weiterentwicklung des afrikanischen Fußballs hat nicht stattgefunden, dank unfähiger Funktionäre und chaotischer Verbände stehen sich die Afrikaner weiterhin selbst im Weg. Der Vorsprung, den die Kicker im Juniorenalter insbesondere gegenüber den Europäern haben, ist schnell aufgebraucht. Und weil die Konkurrenz so schwach ist, könnte WM-Neuling Bosnien-Herzegowina sogar das Achtelfinale erreichen. Und das ist schon verrückt, denn auch wenn ganz Europa von den Bosniern schwärmt, halte ich sie für gnadenlos überschätzt: Wen außer Dzeko und Pjanic haben sie? Misimovic spielt sicher nicht umsonst in China, Ibisevic ist ein solider Stürmer, die Defensivspieler kicken durchweg nicht bei Spitzenvereinen.

1. Argentinien, 2. Bosnien-Herzegowina, 3. Nigeria, 4. Iran

Gruppe G (Deutschland, Portugal, Ghana, USA)

Das Motto der Gruppe „Ein Wiedersehen mit alten Freunden“ könnte glatt auch für eine neue Volksmusiksendung im mdr stehen. Gegen Portugal spielen wir im neuen Jahrtausend bei gefühlt jedem Turnier (EM 2000, WM 2006, EM 2008, EM 2012) und seit die Trümmertruppe von Erich Ribbeck 2000 in Rotterdam von einer portugiesischen B-Elf auseinandergenommen wurde, hören wir nicht auf, uns dafür zu revanchieren. Cristiano Ronaldo wusste wohl schon, warum er gegen jeden Gegner spielen wollte, nicht aber gegen uns. Die Leistung der Mannschaft steht und fällt mit CR 7, das haben auch die Play-Offs gegen Schweden deutlich gemacht. Ist der schöne Cristiano nicht in Top-Form ist Portugal nur Durchschnitt. Daher fürchte ich auch, dass Ronaldo & Co. zeitgleich mit uns Ende Juni 2014 in Portugal eintreffen werden. Denn mit Ghana und den USA gibt es gleich zwei Gegner, die den Portugiesen mehr als nur gefährlich werden können. Die Amerikaner haben mit zunehmender Dauer eine starke Qualifikation gespielt und allein die Tatsache das Jürgen Klinsmann die US-Boys trainiert, macht die Angelegenheit speziell. Ghana (schon 2010 unser Gruppengegner) ließ auch ohne den jetzt aber zurückgekehrten Kevin-Prince Boateng (ihr wisst schon, gute alte Freunde usw.) nie Zweifel am Brasilien-Ticket aufkommen und überrannte die zuvor ungeschlagenen Ägypter in den afrikanischen Play-Offs. Hinzu kommt, dass der ghanaische Verband, ähnlich wie das ganze Land selbst, den Ruf genießt, einer der besser organisierteren des Kontinents zu sein. So vertrat Ghana ganz Afrika schon 2006 und 2010 jeweils alleine in der K.O.-Runde. Und 2010, nachdem Ghana die Amis im Achtelfinale bezwungen hatte, verhinderte nur die Hand von Louis Suarez den ghanaischen Einzug ins WM-Halbfinale. Deutschland wird diese Gruppe gewinnen, da habe ich keinen Zweifel. Die Qualität unserer Mannschaft ist groß genug, die echten Prüfungen, ob wir wirklich eine Weiterentwicklung (insbesondere, was die Mentalität angeht) gemacht haben, kommen in den späteren Runden. Hinter uns gibt es ein brutal enges Hauen und Stechen, welches Ghana knapp für sich entscheiden wird.

1. Deutschland, 2. Ghana, 3. Portugal, 4. USA

Gruppe H (Belgien, Algerien, Russland, Südkorea)

Auf den ersten Blick eine unspektakuläre Gruppe. Favorit sind für mich die Belgier, die eine aufregende Generation von Fußballern (Hazard, Lukaku, Fellaini, Witsel, de Bruyne, Courtois, Defour, Chadli und und und) in Brasilien an den Start bringen. Vom Talent her sind unsere Nachbarn sicher unter den Top 5 dieser Weltmeisterschaft, vielleicht kommt das Turnier aber noch etwas zu früh für die jungen Belgier, 2018 könnte ihre große Stunde schlagen. Apropos 2018… Der nächste WM-Gastgeber Russland spielt auch in Gruppe H und hat angesichts der alles andere als überragenden Konkurrenz sicherlich berechtigte Chancen, ins Achtelfinale einzuziehen. Die Russen haben sich souverän qualifiziert, allerdings schieden sie in der Vergangenheit oft auch ebenso schnell in der Vorrunde aus. Bestes Beispiel war die zurückliegende EM, als sie im ersten Gruppenspiel die Tschechen überrannten, dann aber, von sich selbst berauscht, zweimal verloren und von den Tschechen überholt wurden. Die russische Mentalität gefällt mir nicht, ob Star-Trainer Fabio Capello daran etwas ändern kann, wage ich zu bezweifeln. Aber der Italiener ist sicher ein Pluspunkt für die Russen. Südkorea scheint mir eher über das Kollektiv zu kommen, sie kämpfen immer bis zum letzten Tropfen Sprit, einen Faktor den ich sehr schätze und der mich dazu verleitet, sie über die Russen zu sortieren. Algerien ist für mich nicht mehr als ein WM-Tourist: drei Spiele und dann geht’s wieder ab nach Hause, daran ändert auch die vermeintlich leichte Gruppe nichts.

1. Belgien, 2. Südkorea, 3. Russland, 4. Algerien

Nimmt man meine Tipps als Grundlage, geht’s in der Endrunde so weiter:

Achtelfinale

Brasilien – Niederlande
Griechenland – Uruguay
Frankreich – Bosnien-Herzegowina
Deutschland – Südkorea
Spanien – Mexiko
Italien – Japan
Argentinien – Schweiz
Belgien – Ghana

Viertelfinale

Brasilien – Uruguay
Frankreich – Deutschland
Spanien – Italien
Argentinien – Ghana

Halbfinale

Brasilien – Deutschland
Spanien – Argentinien

So, weiter will ich mich erstmal nicht aus dem Fenster lehnen. Ich weiß, ein paar Stunden nach der Auslosung und ein halbes Jahr vor der WM bis ins Halbfinale getippt, da hängt er (um im Bild zu bleiben) eh nur noch mit dem kleinen Finger am Fensterbrett, aber für heute soll es genug sein. Auf eine schöne Weltmeisterschaft!

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