22.02.2010

Tagebuch Vancouver 2010 (# 8) und Dresden-RWE

enthält: Dritte Liga 2009/10, 24. Spieltag
DYNAMO DRESDEN - FC ROT-WEISS ERFURT 1:0 (0:0)

Tja, liebe Freunde, es ist Montagmorgen und irgendwie bin ich ein wenig gefrustet. Auch wenn es in den letzten Stunden eine ganze Menge Sport gab, kotzt es mich einfach an, dass das Eishockey-Gipfeltreffen zwischen Gastgeber Kanada und den Amis nicht live im deutschen TV zu sehen sein wird. Die ARD überträgt die Bob-Entscheidung, okay, da geht es um Gold für Andre Lange, aber der vierte Lauf dauert doch keine zweieinhalb Stunden. Da könnte man trotzdem noch zwei Drittel des Eishockey-Spiels zeigen, unterbrochen von der Live-Übertragung der letzten zehn Bobs. Aber so flexibel ist die ARD nicht, da wäre ja kein Platz mehr für das von Millionen Zuschauern herbeigesehnte Olympia-Telegramm oder das ewige Experten-Gelaber vor und nach den Wettbewerben. Und auch eine Übertragung bei Eins Festival war nicht möglich, weil dort ein gähnend langweiliges Curling-Vorrundenmatch live übertragen werden muss. Einfach lächerlich. Schon um neun Uhr war ich stinkig, weil statt Russland – Tschechien irgendein Film lief und Olympia ignoriert wurde. Wenn ich schon wochenlang vor den Spielen mit Live-Vollversorgung werbe, dann kann ich es mir nicht leisten, ausgerechnet am „Super Sunday“ so einen armseligen öffentlich-rechtlichen Auftritt hinzulegen. Eurosport will ich von der Kritik mal ausnehmen, die haben nach dem Biathlon-Massenstart immerhin das dritte Drittel von Russland – Tschechien live gezeigt. So stell ich mir das vor. Dass sie sich dann in der Nacht für Eiskunstlaufen entschieden haben, okay, dass ist wohl die Senderphilosophie, Eiskunstlauf läuft dort immer live.

Tja, der Ärger begleitete mich irgendwie über das ganze Wochenende. Vor unserer Auswärtsfahrt nach Dresden legte die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft am frühen Samstagmorgen einen ziemlichen dünnen Auftritt gegen Finnland hin (0:5) und machte dabei so ziemlich alles falsch. Aber okay, dass was wir beim Schweden-Spiel über dem Normalmaß leisteten, zeigten wir nun darunter. Und einen Punktgewinn gegen die beiden skandinavischen Teams durfte man nun realistisch betrachtet einfach nicht erwarten. Nun aber zum Fußball. Unmittelbar nach der Schlusssirene beim Eishockey trudelten auch schon Christian und Christian ein und sorgten gleich für gute Laune. Leckere Buletten bzw. Klopse bzw. Frikadellen hatten die beiden im Marschgepäck dabei, von unserem Chrischi am Freitagabend noch lecker gebrutzelt. Die Dinger schmeckten uns zwischen Leipzig und Dresden trotz der politisch leicht fehlorientierten Nachbarschaft im (ich sag mal ganz salopp) braunen Salonwagen. Bei der Wahl „unseres“ Doppelstockwaggons hatten wir ähnlich Pech wie dann später in Dresden bei der Wahl des Busses. Dort montierten einige überfröhliche einen Teil der Innen-Verkleidung ab und öffneten das Dachfenster mittels einer alternativen Vorgehensweise. Ich möchte diese überflüssigen Dinge nicht schön reden, im Gegenteil, ob aber die Aktion der Polizei, den gesamten Bus zwecks Aufnahme der Personalien einzeln aussteigen zu lassen, vorteilhaft war, wage ich zu bezweifeln. Es wäre ein leichtes gewesen, die „bösen Jungs“ in der Mitte des Busses zu ermitteln und den Rest einfach raus zu lassen.

Am Stadion bot sich dann ein Bild der Gegensätze. Die Schüssel an sich ist ein Traum, den ich mir mal abgesehen von den furchtbaren Sitzschalenfarben auch wunderbar in Erfurt vorstellen kann. Es ist beneidenswert, was dort mittels öffentlicher Hand finanziert wurde. Und das ohne solch solide Vereinsstrukturen und –finanzen wie in Erfurt. Einen Blick auf das Umfeld des Stadions darf man aber nicht riskieren. Angesichts der Tatsache, dass hier in einem Jahr die Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft bzw. bereits in diesem Juli die U 20-Frauen-Weltmeisterschaft ausgetragen wird, ist der optische Zustand des Außenbereichs, den man irgendwo zwischen DDR und Moldawien einsortieren kann, absolut erschreckend. Ähnlich mies liefen die Einlasskontrollen. Für ca. 2000 mitgereiste Erfurter Fans waren nicht mehr als vier Eingänge geöffnet, weswegen die Prozedur entsprechend lang dauerte. Am längsten natürlich an der Schlange, an der wir anstanden.

Vor dem Spiel gab es auf beiden Seiten hübsche Choreographien, auch die der Gastgeber verdient ein ausdrückliches Lob, das sah sehr schick aus. Die erste Hälfte hatte unheimlich viel Feuer. Weniger wegen des begeisternden Spiels, viel mehr wegen der zahlreichen Fouls und Nickeligkeiten, die Mannschaften bearbeiteten sich mehr als das sie gegeneinander spielten. Die Abwehrreihen dominierten, auch unsere, wieder mit Martin Pohl spielende Verteidigungsreihe, hatte den Gegner gut im Griff. Als Schwachpunkte fielen Martin Hauswald, der einen rabenschwarzen Tag erwischte, mit seinen vielen Fehlpässen sowie Dennis Malura auf, der zwar defensiv ebenso sicher stand wie seine Nebenleute, das Offensivspiel mit unterirdisch schlechten Flanken und seinen zahlreichen, im Vorwärtsgang verlorenen Zweikämpfen, aber lähmte. Negativer Höhepunkt der ersten Halbzeit waren zwei, während einer Dynamo-Ecke aus dem RWE-Block fliegende Feuerzeuge sowie die Verletzung des Dresdner Mittelfeldspielers David Solga, der sich bei seinem Foul an Hauswald einen offenen Schien- und Wadenbeinbruch zuzog.

Auch in der zweiten Halbzeit änderte sich wenig. Die beiden Mannschaften gingen nun etwas pfleglicher miteinander um, der Schiedsrichter pfiff etwas heimlastiger, insgesamt dominierten aber weiterhin die Abwehrreihen. Chancen blieben Mangelware, Dynamo fand keine Mittel gegen die RWE-Abwehr und unsere Offensivabteilung verlor bei ihren wenigen Kontern immer wieder leichtfertig den Ball im Zweikampf. Einmal wurde es aber dennoch brandgefährlich im Sachsen-Strafraum, als Dynamo-Keeper Axel Keller ein Geschoss von Malura nicht festhalten konnte, der eingewechselte Lüttmann aber vom ihm im Fünf-Meter-Raum vor die Füße fallenden Ball so sehr überrascht war, dass er statt des leeren Tores nur die Latte traf. Meine Fresse, das konnte nicht wahr sein. Auch Dynamo hatte dann noch eine dicke Chance, die Orlishausen hervorragend parierte. Und als alles sich bereits auf ein Unentschieden eingestellt hatte, traf Gundersen mittels Sonntagsschuss in den Winkel. Eine Minute vor dem Ende. Scheiße aber auch. Möckel und Pohl hatten den Norweger nicht attackiert, Orlishausen stand eventuell etwas zu weit vor seinem Kasten. Wenig später pfiff der durchschnittliche Schiri Seidel aus dem Brandenburgischen ab und die Gastgeber feierten einen äußerst glücklichen Dreier. Einige Sachsen verloren dennoch die Nerven und beantworteten die beiden RWE-Böller mit zwei Leuchtraketen, die im unteren Bereich des RWE-Blocks einschlugen. Weshalb der Stadionsprecher anschließend die Erfurter Fans aufforderte, dass Abbrennen von Feuerwerkskörpern zu unterlassen, bleibt wohl sein Geheimnis.

Trotz der Niederlage wurde die Mannschaft von den Fans (zurecht) gefeiert, erfreulicherweise ließ sich auch der sonst in solchen Dingen eher zurückhaltende Sportchef Rainer Hörgl vor der prallgefüllten Gästekurve blicken. Prima! Die Abreise verlief problemlos und überraschend schnell. Schon gut 50 Minuten nach dem Spiel rollten wir, nun in etwas ruhigerer Gesellschaft sitzend, im Zug aus Dresden heraus. Dank einiger suboptimal Intelligenter und ihrem „Auftritt“ am Weimarer Bahnhof rollten wir mit zehn Minuten Verspätung kurz vor Acht wieder in Erfurt ein. Die nächste Olympia-Nacht wartete.

In dieser feierten wir Tobi Angerer und seine Silbermedaille, sonst verlief die Nacht eher unspektakulär. Im Super-G und Skispringen gab’s nix zu holen, das Eishockey-Match verschliefen meine beiden Christians. Der Auftritt gegen Weißrussland war eine Steigerung gegenüber dem Finnland-Spiel, immerhin gelang mit dem schnellen 1:0 das erste Tor. Leider ließen wir uns anschließend auskontern. Als kurz vor Schluss innerhalb von wenigen Sekunden das 2:3 und das 3:3 fielen, erreichte die Stimmung kurz nach acht Uhr morgens im Wohnzimmer noch mal den Siedepunkt, ehe die Weißrussen den Deutschen Eishockey-Cracks und die Müdigkeit uns das Licht ausknipste.

Gegen Mittag ging das mittlere olympische Wochenende schon weiter, nachdem mich alle verlassen hatten, gammelte ich am Nachmittag über meiner Steuererklärung und versuchte mir einen Einblick in das Elster-Programm zu verschaffen. Vor Beginn des Super Sundays, der aus oben beschriebenen Gründen weit weniger super als erhofft war, gab es in der Hummel noch lecker Burger & Wrap, irgendwie musste ich ja über die Eishockey-Nacht kommen. Da wusste ich aber noch nicht, dass der Canada Hockey Place für die deutschen TV-Anstalten so eine Art übertragungsfreie Zone werden wird. Kaum hatte ich davon Kenntnis erlangt, sorgten die Leistungen unserer Biathlon-Männer für weiteres Stirnrunzeln. Meine Güte, keine Einzelmedaille für die deutschen Skijäger. Als dies das letzte Mal passiert war (1998 in Nagano) gab es allerdings anschließend Staffel-Gold. Wir sollten uns also auf den Freitag freuen. Das Warten darauf versüßten mir die Ladies. Magdalena Neuner und Simone Hauswald gewannen Gold und Bronze im Massenstart, endlich gab es mal was zu feiern an diesem Wochenende. Jetzt guck ich grad noch Anni Friesinger beim Eislangsamlaufen zu, sie ist bereits jetzt, wo noch drei Paare kommen, aus den Medaillenrängen rausgefallen. Für die Anni wird es wohl Zeit, nach Holland auf den Bauernhof zu ziehen. Ids Postma, ihr Ehemann, würde sich sicher freuen. Parallel verfolge ich im Live-Ticker den dritten Lauf im Zweierbob. Andre Lange und Thomas Florschütz haben ihren Vorsprung verdoppelt, Gold und Silber scheinen sicher. Diese Tatsache und der ARD-Eishockey-Boykott lassen mich jetzt schlafen gehen. Die zweite Olympia-Woche wird noch anstrengend genug. Gute Nacht!

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